Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
beinahe getreten wäre.
Ich nickte und beobachtete entsetzt, wie er den anstößigen Haufen in die Hand nahm und erstaunlich zielsicher in Richtung von Bettye McCoys Kopf warf, wo er auf ihr
Blondhaar klatschte und an ihrem Kopf kleben blieb wie Schlamm.
Bettye McCoy blieb stehen und zog die Schultern bis an die Ohren, bevor sie sich umdrehte und uns mit fassungslos offenem Mund anstarrte, ein Spiegelbild meiner eigenen Verblüffung.
»Sie sollten lieber den Mund zumachen«, warnte Lance sie. »Vielleicht kommt noch mehr.«
»Ihr seid ja alle verrückt«, stammelte Bettye McCoy, machte ein paar Schritte rückwärts, verhedderte sich in ihren Hundeleinen, verlor um ein Haar das Gleichgewicht und brach in Tränen aus. »Alle miteinander.«
Unter unseren Blicken entwand sie sich ihren Hundeleinen, wobei ein kleiner Klecks von ihrem Kopf auf ihre rechte Schulter und von dort weiter auf die Spitze ihres roten Schuhs tropfte. Bettye McCoy kreischte ein letztes Mal empört auf, streifte die Schuhe ab, nahm jeweils einen hechelnden Hund unter den Arm und verschwand rennend um die nächste Straßenecke.
»Meinst du, sie ruft die Polizei?«, fragte Alison.
»Oh, ich glaube kaum, dass sie will, dass die Geschichte die Runde macht.« Ich sah Lance an, der grinste wie die sprichwörtliche Katze, die gerade eine Maus verschluckt hat. Hatte er den Hundekot wirklich mit bloßen Händen aufgehoben und ihn gegen meine Peinigerin geschleudert? Mein Held, dachte ich lachend. »Vielen Dank.«
»Stets zu Diensten.«
Wir gingen die Einfahrt hinauf. »Wie war das Abendessen?«, fragte ich, bevor ich ins Haus ging.
»Nicht annähernd so aufregend wie das hier«, sagte Alison. »Mein Gott, ich kann dich auch keine Minute alleine lassen. Apropos, hast du dich wegen morgen schon entschieden?«
Ich lächelte und lachte dann laut. »Um wie viel Uhr soll ich fertig sein?«
13
Am nächsten Tag klopfte Lance um zehn Minuten nach zwölf an meine Hintertür. Er war ganz in Schwarz gekleidet, ich ganz in Weiß, sodass wir aussahen wie gegnerische Bauern, die sich auf einem Schachbrett gegenüberstanden. »Ich dachte, wir hätten gesagt um elf«, begrüßte ich ihn und versuchte, nicht so zu klingen wie meine Mutter.
»Wir haben verschlafen«, sagte er ohne weitere Entschuldigung. »Sind Sie startklar?«
»Wo ist Alison?«
»Die liegt noch im Bett. Mit Migräne.«
»O nein! Alles in Ordnung?«
»In ein paar Stunden ist sie wieder auf dem Damm.«
Ein verbaler Minimalist, entschied ich und beobachtete, wie er mit seinen Blicken meine ganze Küche verschlang. »Ich sollte besser nach ihr sehen.«
»Nicht nötig.« Lance nahm die ausgebeulte Strohtasche vom Küchentisch und hängte sie mir über die Schulter. »Alison hat gesagt, ich soll Sie zum Mittagessen ausführen, und sie würde dazustoßen, sobald sie wieder aufrecht stehen kann.«
»Ich glaube, ich sollte trotzdem besser vorher noch mal nach ihr sehen«, widersprach ich und erinnerte mich daran, wie krank Alison bei ihrem letzte Migräne-Anfall gewesen war, doch Lance schob mich schon aus der Tür und führte mich weg vom Gartenhaus zur Einfahrt.
»Sie erholt sich bestimmt wieder«, sagte er und drückte sanft meinen Ellenbogen. »Machen Sie sich keine Sorgen.«
»Ich habe bloß das Gefühl, dass es nicht richtig ist wegzugehen.«
»Kommen Sie. So können wir uns besser kennen lernen.«
Ich blickte die Straße auf und ab, die Schatten der hohen Bäume breiteten sich wie kleine Tümpel über den Asphalt, während vom Bürgersteig Hitzewellen anrollten wie Meeresbrandung. Ein paar Häuser weiter stand ein großer schneefarbener Silberreiher wie versteinert in einem gepflegten Vorgarten. »Haben Sie etwas Bestimmtes im Sinn?«
»Die Everglades?«
»Was?«
»War bloß ein Witz. Natur ist nicht so mein Ding. Ich dachte, wir gehen ins Elwood’s. Dahin können wir laufen und müssen auch keine Angst vor Schlangen haben.«
»Seien Sie sich da mal nicht allzu sicher.« Das Elwood’s war eine zu einer Motorradfahrer-Kneipe umgebaute ehemalige Tankstelle, die sich auf Grillgerichte und Elvis-Andenken spezialisiert hatte. Sie lag ein paar Blocks westlich von der Galerie Lorelli an der Atlantic Avenue. »Woher kennen Sie das Elwood’s?«
»Alison hat mich gestern Abend im Vorbeifahren darauf hingewiesen. Ich fand, dass es interessant aussah.«
Ich zuckte die Achseln und erinnerte mich an meinen letzten Besuch im Elwood’s mit Erica Hollander. Ich wollte eine
Weitere Kostenlose Bücher