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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
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sollen , konnte ich meine Mutter förmlich sagen hören.
    Ich wandte mich ab und ließ meinen Blick erneut zu dem Mann mit dem roten Stirnband schweifen. Er legte den Kopf zur Seite und hob sein Bierglas zu einem stummen Prosit, als hätte er darauf gewartet, dass ich wieder in seine Richtung blickte. Wo hatte ich ihn schon einmal gesehen?«
    »Und, was halten Sie von meiner kleinen Schwester?«, fragte Lance, als der Kellner mit seinem Bier kam. Lance trank die Schaumkrone ab und kaute darauf herum, als wäre es feste Nahrung.
    »Ich finde sie toll.«
    »Ist sie zurzeit mit irgendwem zusammen?«
    »Meines Wissens nicht.«
    »Hat sie Ihnen von ihrem Exmann erzählt?«
    »Nur, dass er ein Fehler war.«
    Lance schüttelte lachend den Kopf.
    »Sind Sie anderer Meinung?«
    »Auf mich hat er einen ganz netten Eindruck gemacht. Aber hey, was weiß ich schon? Sie ist diejenige, die mit ihm zusammengelebt hat. Obwohl Alison nicht immer weiß, was gut für sie ist«, fügte er hinzu, und sein Gesicht lag plötzlich im Schatten, als am Himmel eine einzelne Wolke vorbeizog.
    »Da bin ich anderer Meinung.«
    »Ich glaube, Sie kennen Alison nicht so gut wie ich.«
    »Vielleicht nicht«, räumte ich ein und beschloss, das Thema zu wechseln. »Was ist mit Ihnen? Irgendein süßes junges Ding am Horizont?«
    »Eigentlich nicht.« Ein träges Lächeln schlich sich auf seine Lippen. »Ich hatte ehrlich gesagt schon immer ein Faible für ältere Frauen.«
    Ich lachte. »Dann sollten Sie irgendwann mal in der Klinik vorbeikommen. Ich stelle Ihnen ein paar von meinen Patientinnen vor.«

    Lance legte den Kopf in den Nacken und kippte sein halbes Bier herunter. »Und was ist mit dem Typen, der hier jeden Donnerstagabend singt?«, fragte er, als ob das ein vollkommen logischer Anschluss wäre.
    Ich blickte auf die große Pappfigur eines Las-Vegas-mäßig gestylten Elvis-Imitators mit langen Koteletten, weißem, strassbesetztem Overall, wehendem Cape in Karaoke-Pose, die die Gäste am Eingang des Restaurants begrüßte. »Ob Sie’s glauben oder nicht, er ist ein Polizist aus Delray.«
    »Taugt er irgendwas?«
    »Er ist sehr gut.« Ich hatte ihn gehört, als ich mit Erica hier gewesen war. Ich stutzte und wusste plötzlich auch, wann ich den Mann mit dem roten Stirnband schon einmal gesehen hatte – zusammen mit Erica Hollander. Mein Blick schoss in die Ecke der Terrasse, doch er saß nicht mehr an seinem Tisch.
    »Stimmt irgendwas nicht?«, fragte Lance und bestellte noch eine halbe Portion Spareribs und zwei Bier. In der näheren Zukunft würden wir offenbar nirgendwohin gehen.
    »Entschuldigen Sie mich für einen Moment?« Bevor er antworten konnte, war ich schon aufgestanden und auf dem Weg zu den Toiletten auf der Rückseite des Restaurants. Ich musste mir das Gesicht mit kaltem Wasser abwaschen. Diese Hitze setzte mir definitiv zu.
    Im Innern des Restaurants war es angenehm dunkel und, obschon nicht unbedingt kühl, so doch spürbar weniger heiß als draußen. Ich ging an dem langen Tresen vorbei, dessen Barhocker aus den alten Hebebühnen der Werkstatt gebaut waren. Die meisten Gäste saßen draußen, doch in dem Raum waren Ledermöbel um ein paar Holztische gruppiert für Menschen, die es vorzogen nicht zu sehen, was sie aßen. »Der Schweinestall«, nannten die Leute das Elwood’s liebevoll. Als mich ein weiterer Motorradfahrer mit Wampe streifte, fragte ich mich, ob sich das auf die Speisekarte oder die Kundschaft bezog.

    Ich blieb eine Weile auf der Toilette sitzen und versuchte, mir einzureden, dass mir mein Verstand Streiche spielte und dass allein die Hitze in Verbindung mit meiner überbordenden Fantasie mich zu der Annahme verleitet hatte, bei dem Mann mit dem roten Stirnband handelte es sich um mehr als ein allzu vertrautes Klischee. Natürlich kannte ich ihn nicht. Und natürlich hatte ich ihn nie zusammen mit Erica gesehen.
    Doch schon während ich noch versuchte, mich davon zu überzeugen, dass ich nur Gespenster sah, wusste ich die Wahrheit – ich hatte den Mann schon einmal gesehen, zusammen mit Erica, und zwar nicht bloß einmal, sondern öfter. Und nicht nur hier, wie mir klar wurde, als eine Reihe unterdrückter Bilder auf mein Hirn einprasselten, sondern viel näher an meinem Zuhause. Hatte ich ihn nicht an mehreren Morgen, den Arm um Ericas Hüfte gelegt, aus dem Gartenhaus kommen sehen? Hatte ich nicht an mehreren Abenden das unverkennbare Geräusch eines startenden und die Straße hinunterdonnernden

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