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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
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ich, und es war eher eine Feststellung als eine Frage.
    »Doch, habe ich wohl«, sagte Alison rasch. »Habe ich wohl«, wiederholte sie unnötigerweise und starrte zu Boden, als hätte sie Angst, mir ihr Gesicht zu zeigen.
    »Du verschweigst mir nach wie vor etwas.«
    »Nein. Nichts. Ich habe dir alles erzählt.«
    Sie log. Ich wusste es, und sie wusste, dass ich es wusste. Deshalb konnte sie mir auch nicht in die Augen sehen.
    »Ich dachte, wir wären Freunde«, sagte ich mau, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte.
    »Wir sind Freunde«, flehte sie.
    »Freunde belügen sich nicht. Sie haben keine Geheimnisse voreinander. Und sie haben keine Hintergedanken.«
    Alisons Blick traf meinen, und eine Sekunde lang schien es, als würde sie zusammenbrechen, mir alles erzählen, mir die ganze hässliche Wahrheit ihres eigentlichen Planes offenbaren, ihre Rolle in dem Tohuwabohu der vergangenen Nacht gestehen und die ganze Scharade enthüllen. Doch sie sagte nichts, und der Moment verstrich.
    »Ich denke, ihr solltet jetzt gehen«, erklärte ich ihr.
    Nickend wandte sie sich zum Gehen. »Ich ruf dich an.«
    »Nein, du hast mich nicht verstanden. Ich möchte, dass du für immer gehst.«

    »Was?«
    »Ich will, dass du hier verschwindest.«
    »Das kann nicht dein Ernst sein.«
    »Hey, Terry«, ging Lance dazwischen. »Meinst du nicht, dass du ein bisschen übertrieben reagierst?«
    »Habe ich vielleicht gestern Nacht auch übertrieben reagiert, als du versucht hast, mich umzubringen?«, schoss ich zurück.
    »Was!«, sagte Lance.
    »Was!«, ließ Alison sich wie ein Echo vernehmen.
    »Wovon zum Teufel redest du?« Der Blick, mit dem Lance mich bedachte, war gleichermaßen wütend und belustigt. »Du bist doch total verrückt. Weißt du das, Lady?«
    »Ich will, dass ihr aus meinem Haus verschwindet«, beharrte ich. »Und aus meinem Leben.«
    »Nein, bitte«, rief Alison.
    »Ihr habt bis heute Abend Zeit«, sagte ich.
    »Aber das ist nicht fair!«
    »Ich glaube, laut Mietrecht beträgt die Kündigungsfrist einen Monat«, meinte Lance träge. »Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich reagiere ziemlich ungehalten auf Ultimaten.«
    »Wenn ihr nicht auszieht, rufe ich die Polizei. Wie gefällt dir das als Ultimatum?«
    »Ziemlich lahm«, erwiderte Lance. »Ich denke, du solltest besser auch deinen Anwalt anrufen.«
    »Lance ist in einer Stunde weg«, erklärte Alison entschieden.
    »Was!«, rief Lance. »Das ist doch wohl nicht dein Ernst.«
    »Hau einfach ab«, erklärte Alison ihm, ohne den Blick von mir zu wenden. »Sofort.«
    Lance trat verlegen von einem Fuß auf den anderen und schlug sich frustriert auf die Hüften, bevor er schließlich aus dem Zimmer stürmte.

    »Wenn du mir nur ein paar Tage Zeit lassen könntest, bis ich etwas anderes gefunden habe«, sagte Alison, »verspreche ich dir, dass du mich ganz bald los bist, wenn du das immer noch willst.«
    In Wahrheit wusste ich nicht, was ich wollte. Einerseits wollte ich, dass Alison sofort verschwand, andererseits wollte ich, dass sie blieb. Eine Weile sagte ich gar nichts und wartete, dass sie die Gesprächspause füllen würde, wie sie es für gewöhnlich tat, um eine zumindest halbwegs plausible Erklärung anzubieten, an die ich mich klammern konnte. Denn selbst nach allem, was passiert war, suchte ich nach wie vor nach einem Grund, ihr zu glauben.
    »Gut.« Ich spuckte das Wort aus wie ein Stück verdorbenes Fleisch. »Du hast Zeit bis zum Wochenende. Wenn du bis dahin nicht weg bist, alarmiere ich die Behörden.«
    »Danke«, hauchte Alison erleichtert. Dann fuhr sie herum, sodass ihr Gesicht mit ihren rotblonden Locken verschwamm. Ich hörte ihre Schritte auf der Treppe, bevor die Hintertür geöffnet und wieder zugeknallt wurde. Aus dem Schlafzimmerfenster beobachtete ich, wie sie zum Gartenhaus rannte, dann unvermittelt stehen blieb und sich noch einmal zum Haus umdrehte. Und mir war, als hätte ich sie lächeln sehen.

22
     
     
    In den nächsten Tagen sah ich Alison überhaupt nicht. Genauso wenig wie Lance, obwohl ich bezweifelte, dass er wirklich weg war. Ich wusste, dass die Angelegenheit noch längst nicht erledigt war, dass sie nach all der Zeit und Anstrengung, die sie bereits in mich investiert hatten, kaum mit leeren Händen ihrer Wege ziehen würden. In der ersten Nacht lag ich im Bett, versuchte zu sortieren, wie viel von dem, was Alison mir erzählt hatte, wirklich stimmte, und ich fragte mich, wo die Lügen endeten und die Wahrheit

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