Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
nächsten Tag wieder arbeiten wollte. Also warf ich meine Reisetasche auf den Rücksitz und kehrte widerwillig noch einmal ins Haus zurück. Die Treppe hoch, nahm ich mit jedem Schritt zwei Stufen auf einmal und kam schließlich keuchend im Schlafzimmer an, wo die Schuhe am Fuß des Bettes standen, als würden sie auf mich warten. Auf dem Weg aus dem Zimmer warf ich einen flüchtigen Blick aus dem Fenster und sah, dass Alison aus ihrem Haus kam.
Ich rannte nach unten und blieb dann nach Luft schnappend abrupt neben der Haustür stehen. Ich durfte nicht hektisch wirken. Alles musste unbedingt ganz normal erscheinen. Alison durfte auf keinen Fall den Verdacht schöpfen, dass ich fliehen wollte.
»Verreist du?« Sie wartete neben dem Auto auf mich und wies mit dem Kopf auf die Reisetasche auf dem Rücksitz.
»Ich bin in einen Fitnessclub eingetreten. Ich dachte, ich
könnte vor der Arbeit noch ein bisschen trainieren.« Zum Beweis hielt ich die Schuhe hoch, und sie schien sich mit meiner Erklärung zufrieden zu geben.
»Terry -«
»Ich komme zu spät.« Ich öffnete die Beifahrertür, warf meine Schuhe auf den Boden und ging um den Wagen zur Fahrerseite.
»Bitte, ich muss mit dir reden.«
»Ich wüsste wirklich nicht, was das bringen soll, Alison.«
»Hör mich einfach an. Und wenn du dann immer noch willst, dass ich gehe, werde ich das tun. Ich verspreche es.«
»Ich habe das Häuschen schon neu vermietet«, erklärte ich ihr und beobachtete, wie sie alarmiert die Augen aufriss. »An eine Kollegin aus dem Krankenhaus. Sie zieht am Samstag ein.«
Alisons Kopf schnellte zu dem Gartenhaus herum, ihre Kehle war wie zugeschnürt.
»Pass auf«, blies ich zum Rückzug, weil ich plötzlich Angst hatte, dass sie versuchen könnte, mich zurückzuhalten, wenn sie das Gefühl hatte, dass ihr keine Zeit mehr blieb. »Wenn du wirklich reden willst, können wir das ja machen, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme.«
Erleichterung machte sich auf ihrem Gesicht breit. »Das wäre toll.«
»Es könnte allerdings ziemlich spät werden.«
»Das macht nichts. Ich warte.«
»Okay.« Ich stieg ein und ließ den Motor an. »Bis später dann.«
»Bis später«, gab sie zurück und klopfte mit den Fingern auf das Wagendach, als ich rückwärts aus der Einfahrt setzte.
Bis später, dachte ich.
Ich weiß nicht genau, warum ich nicht den Turnpike, sondern die Interstate 95 genommen habe. Du solltest den Turnpike
nehmen , erinnerte ich mich an Myra Wylies Rat an ihren Sohn. Wenn es auf der 95 einen Unfall gibt, stehst du den ganzen Tag im Stau .
Und genau das war passiert, wie ich erkannte, als ich das Fenster herunterließ und den Hals reckte, um den Grund für den Stillstand zu erkennen. Doch ich sah nur endlose Schlangen von Fahrzeugen wie grellbunte eingeklemmte Reptilien. »Gott, bring mich hier raus«, flüsterte ich und drehte an dem Radio herum, um einen Sender zu finden, der einen Verkehrshinweis brachte. »Dafür habe ich keine Zeit.«
Auf einem Sender besang Alan Jackson klagend seine verlorene Liebe, während auf einem anderen Sender Janet Jackson über eine neu gefundene trällerte. Vielleicht war es ein und dieselbe Liebe, dachte ich und hätte beinahe laut gelacht. Vielleicht waren Alan und Janet Jackson Geschwister. Oder ein Ehepaar. So wie Alison und Lance. Jetzt lachte ich wirklich, was mir die besorgten Blicke des Fahrers im Wagen neben mir einbrachte.
»Ich werde nicht an Alison denken«, flüsterte ich zwischen kaum geöffneten Lippen, suchte einen neuen Sender und hörte dem geistlosen Geplauder eines Moderators mit seiner Kollegin zu.
»Und, Cathy, wie viele gute Vorsätze fürs neue Jahr hast du inzwischen gebrochen?«
»Ich fasse nie Vorsätze fürs neue Jahr, Dave.«
»Warum nicht, Cathy?«
»Weil ich mich eh nie daran halte.«
Ich schaltete zum nächsten Sender weiter. »Ein schwerer Verkehrsunfall mit vier beteiligten Fahrzeugen direkt südlich der Abfahrt Broward Boulevard behindert den Verkehr auf der Interstate 95«, verkündete der Nachrichtensprecher mit der ruhigen Routine eines Mannes, der es gewohnt ist, Katastrophen zu melden. »Krankenwagen sind am Unfallort -«
»Na super.« Ich schaltete das Radio aus, weil ich nicht noch mehr hören wollte. Ein Unfall mit vier beteiligten Fahrzeugen plus Kranken- und Polizeiwagen bedeutete, dass ich in nächster Zeit nirgendwohin kommen würde. Ich konnte nichts daran ändern, weshalb es sinnlos war, sich aufzuregen. Schade, dass ich kein
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