Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
ich aus dem Bett stieg, mich anzog, ein Taxi anrief und so schnell wie möglich aus meinem eigenen Haus floh, wusste ich schon, dass ich nicht die Kraft hatte, irgendwohin zu gehen. Meine Arme und Beine waren vollkommen nutzlos. Sie hingen wie
schwere Anker an meinem Körper. Mein Kopf fühlte sich an, als hätte ein wahnsinniger Zahnarzt ihn mit Schmerzmitteln voll gepumpt. Ich driftete immer wieder ab und war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Ich wusste, dass mir nur noch Sekunden blieben, bis ich in das wartende Nichts fallen würde.
Ich warf mich mit wild rudernden Armen vom Bett, als wäre ich noch immer im Ozean, wo unsichtbare Hände meinen Kopf unter Wasser drückten. Ich schlug gegen die Nachttischlampe und hörte ein Klirren. Das Geräusch hallte von den Wänden wider und pfiff an meinem Ohr vorbei wie eine Kugel. Ich blickte zur Tür, weil ich erwartete, dass Alison und ihr Bruder jeden Moment ins Zimmer stürzen und mich zurückhalten würden. Doch niemand kam, und ich sank kraftlos aufs Bett zurück, schloss die Augen und ergab mich allem, was das Schicksal auch immer für mich bereithielt.
Als ich aufwachte, schien strahlend die Sonne, und ich hörte Alisons Stimme. »Guten Morgen, du Schlafmütze. Und frohes neues Jahr!«
Sie kam in einem rosa Pulli und passenden pinkfarbenen Jeans auf mich zu und sah aus wie ein langer Zuckerwattestab. Ich richtete mich im Bett auf und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, während Erinnerungen an die Ereignisse der Nacht bruchstückhaft und fetzenweise auf mich einstürzten, als würde ich ein Video sehen, das immer wieder sprang.
Was war vergangene Nacht passiert?
»Wie spät ist es?«
»Schon nach zwölf. Wahrscheinlich hätte ich ›guten Tag‹ sagen sollen.« Alison stellte ein Tablett mit frisch gepresstem Orangensaft, heißem Kaffee und Croissants auf meinen Schoß. »Frühstück im Bett«, sagte sie und lachte. »Oder
Mittagessen. Egal. Die Croissants sind frisch und lecker. Lance ist zu Publix gefahren.«
Hinter Alisons Schulter tauchte Lance’ Kopf auf. »Wie fühlst du dich?«
Ich starrte ihn an und brachte kein Wort heraus. Hatte er gestern Nacht versucht, mich im Meer zu ertränken, oder hatte er mir das Leben gerettet? Hatte ich wirklich beobachtet, wie er Alison am Fuß meines Bettes umarmt hatte? Oder hatte ich die ganze verdammte Geschichte geträumt? War das möglich?
»O nein!, rief Alison plötzlich. »Was ist denn hier passiert?« Sie kniete sich neben das Bett und begann, die Scherben der Porzellankopfvase einzusammeln, die sie mir zu Weihnachten geschenkt hatte. »Was ist passiert?«, wiederholte sie und versuchte, die Stücke wieder zusammenzusetzen.
Ich überlegte angestrengt und stieß auf die vage Erinnerung, in der vergangenen Nacht gegen etwas gestoßen zu sein.
»Vielleicht kann man es wieder reparieren.«
»Die Mühe kannst du dir sparen«, sagte Lance und nahm Alison die Scherben ab. »Hätte auch einem netteren Mädchen passieren können, wenn du mich fragst«, fuhr er sichtlich schaudernd fort. »Diese Porzellanladies sind mir unheimlich.« Und mit diesen Worten trug er die Scherben aus dem Zimmer.
»Alles in Ordnung mit dir, Terry?«, fragte Alison. »Terry, stimmt irgendwas nicht?«
»Ich weiß es«, sagte ich leise.
»Was weißt du?«
»Ich habe dich gesehen«, erklärte ich kühn. »Gestern Nacht. Mit deinem Bruder.«
»O Gott«, sagte Alison im selben Moment, als Lance mit einem breiten Lächeln ins Zimmer zurückkam, nachdem
er eine zerbrochene Dame offenbar bedenkenlos entsorgt hatte.
Würde ich die Nächste sein?
»Und hat Terry sich von ihrem extravaganten Abenteuer erholt?«
»Sie hat uns gesehen«, sagte Alison mit monotoner Stimme.
»Uns gesehen?« Das Lächeln verblasste langsam, während sein Blick zwischen uns hin und her zuckte.
»Ich habe gesehen, wie ihr euch geküsst habt«, erklärte ich unverblümt.
»Du hast gesehen, wie wir uns geküsst haben?« Das Lächeln kehrte in Lance’ Gesicht zurück und zupfte an seinen Mundwinkeln. »Was hast du denn sonst noch gesehen?«
»Genug.« Ich schob das Frühstückstablett beiseite und stieg aus dem Bett, obwohl ich nicht sicher war, dass meine Beine mich tragen würden. Im selben Moment spürte ich ein Stechen im Fuß, schrie auf, ließ mich zurück aufs Bett fallen, zog die Knie an die Brust und sah eine winzige Porzellanscherbe zwischen meinen Zehen.
»Sieht so aus, als würde die Lady beißen«, sagte Lance und fasste meinen
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