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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Die Leiche lag höchstens drei Wochen unter der Erde. Aber nageln Sie mich nicht darauf fest, das ist nur eine vorläufige Einschätzung. Ich kann Ihnen mehr sagen, wenn ich die Obduktion hinter mir habe.«
    »Wie alt war das Kind? Ein Mädchen, richtig?«
    »Ja. Es ist etwa vier Jahre alt, vielleicht auch fünf. Auf den ersten Blick lässt sich keine äußere Gewalteinwirkung feststellen. Aber auch das ist mit Vorsicht zu genießen. Der Leichnam ist scheinbar unversehrt, sieht man mal vom Insektenfraß ab. Aber das muss natürlich nichts bedeuten.« Er hob bedauernd die Schultern. »Im Moment gibt es noch nicht viel. Wie gesagt: Nach der Obduktion wissen wir hoffentlich mehr.«
    Böttger sah zu der Plane hinüber, die über den Fundort gespannt war. Einer der Spurenbeamten trat dahinter hervor, schob die Haube seines Schutzanzuges nach hinten und zog sich die Plastikhandschuhe aus. Böttger nickte Harald zu, und sie steuerten den Kollegen an. Er war ebenfalls ein älteres Semester, seine Glatze leuchtete zartrosa, und farblich passend dazu trug er eine Nickelbrille mit rotem Plastikgestell. Als wollte er eine Kindersendung moderieren.
    »Sie sind bestimmt der Neue«, begrüßte er Böttger und gab ihm die Hand. Der Händedruck war fester und entschlossener, als Böttger vermutet hatte.
    »Das ist richtig. Jens Böttger.«
    »Meyer, hallo. Ich schätze mal, der Einstand wird später gefeiert? Nicht gerade, was man sich an seinem ersten Arbeitstag wünscht.«
    »Man kann es sich nicht aussuchen.«
    Die Leiche war nicht zu sehen, die Plane verbarg den Blick. Böttger hätte es am liebsten dabei belassen.
    »Viel gibt es hier nicht zu sehen«, sagte der Spurenbeamte. »Der Regen hat alles weggespült. Weiß der Himmel, wo am Hang die Leiche vergraben war. Wir werden uns natürlich die Erdmassen rund um das Bündel genauer ansehen. Vielleicht ist noch etwas anderes mit dem Kind begraben worden. Im Moment haben wir aber noch nichts.«
    »Wie sieht es mit der Leiche aus?«
    »Eingewickelt in ein Badetuch. Das sehen wir uns natürlich auch näher an. Bettlaken und Handtücher sind Gold wert, wenn sie nicht gerade frisch gewaschen sind. Die Leiche selbst trägt keine Kleidung.«
    Der Spurenkundler sah zu der Plane hinüber. Dann wanderte sein Blick über das knallrote Brillengestell hinweg zu dem abgerissenen Hang. Er strich sie über die Glatze.
    »Ein Erdrutsch«, sagte er. »Schon seltsam, was alles so passiert. Wenn der nicht gewesen wäre … vielleicht wäre die Leiche nie ans Licht gekommen.« Dann wandte er sich den Kommissaren zu. »Aber am besten sehen Sie sich das Mädchen selbst an.«
    Natürlich. Daran führte wohl kein Weg vorbei. Böttger wappnete sich innerlich. Dann trat er an die Plane und schlug sie zur Seite. Zuerst sah er nur den Polizeifotografen, einen jungen Mann, der aussah wie ein Reporter. Er hockte am Boden und ließ das Blitzlicht seiner Kamera zucken. Im Fokus seiner Linse mussten auf den ersten Blick nur Geröll und Schlamm zu erkennen gewesen sein. Böttger trat näher. Dann entdeckte er das Bündel.
    Zuerst sah es gar nicht aus wie ein Mensch. Die Haut war ledern und hatte den schmutzig braunen Farbton der Erde angenommen. Es war nur ein fleckiger Erdhaufen, der die Form eines Körpers abbildete. Doch je länger er hinsah, desto mehr erkannte er. Arme, Finger, Zehen. Vorsichtig umrundete er den Fund. Das Gesicht des Kindes trat in sein Blickfeld. Er sog erschrocken die Luft ein. Die Illusion des Erdhaufens war fort. Er sah das Näschen, die eingefallenen Wangen, den kleinen Mund. Und das, was einmal die Augen gewesen waren. Schwarze Löcher, die ihn anstarrten. Es war natürlich nur eine Illusion. Da waren nur leere Augenhöhlen, randvoll mit Dreck und Würmern. Trotzdem war es ein Blick, der ihm den Atem nahm.
    »Das ist es also«, sagte Harald hinter ihm. Er schob sich die Kapuze des Regencapes in den Nacken und betrachtete die Kinderleiche. »Das arme Ding.«
    Böttger hielt sich nicht länger als nötig bei der Leiche auf. Er trat aus dem Zelt hinaus und ließ den Blick über das Tal gleiten. Regendunst hing wie Nebel über den Hängen. Die Rettungskräfte unten in den Geröllmassen riefen sich etwas zu, jemand ließ den Motor eines sonderbaren Baggerfahrzeugs an.
    Er hatte nur seine Ruhe gewollt. Deshalb war er doch hierher zurückgekehrt. Er wischte sich nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht und ging auf Harald zu, hinter dem die Plane flatterte, die den grausigen Fund verbarg. Böttger

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