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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Stefan Holtkötter
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dachte an das, was der Spurenkundler gesagt hatte. Wenn der Hang nicht abgerutscht wäre, wer weiß, ob der Leichnam dann jemals ans Licht gekommen wäre. Böttger wurde klar: Wohin diese Ermittlungen ihn auch immer führen würden, nach Ruhe sah es jedenfalls nicht aus.

    Die Leuchtstoffröhren, die zwischen den Gewölbebögen angebracht waren, begannen zu flackern. Nur einen kurzen Augenblick lang, dann warfen sie wieder scheinbar unbeirrt helles Licht in den Verwaltungsraum. Erika Eckart schickte einen erschrockenen Blick zur Decke. Wenn jetzt auch noch der Strom ausfiel, wäre die Katastrophe perfekt. Doch nichts passierte. Der Heilige Augustinus, der über dem Rundbogen des Eingangs thronte, lächelte gütig auf sie herab. Die Elektrizität schien vorerst erhalten zu bleiben.
    Sie konzentrierte sich wieder auf die Stimme am anderen Ende der Leitung. Gern hätte sie einen raschen Blick auf den kleinen Bach geworfen, der inzwischen zu einem reißenden Fluss geworden war und quer über den Klosterhof strömte. Doch das Kabel des Telefonhörers war nicht lang genug, um im passenden Winkel hinauszusehen. Stattdessen richtete sie also den Blick auf ihre Schreibtischplatte und massierte sich nervös die Nasenwurzel.
    »Mir ist natürlich klar, dass Sie rund um die Uhr arbeiten«, sagte sie. »Aber wir saufen hier ab, verstehen Sie? Die Keller sind vollgelaufen, unsere Waschküchen, die Vorratsräume und … ach, ich darf gar nicht daran denken. Wir brauchen endlich Hilfe! Und zwar dringend.«
    Seit fünf Minuten stritt sie sich schon mit dem Mitarbeiter der Einsatzstelle der Feuerwehr herum.
    »Im Moment kann ich Ihnen nichts versprechen«, sagte er noch einmal, wie eine Schallplatte, die einen Sprung hatte. »Von überall gehen hier Notrufe ein. Unsere Leute …«
    »Ich habe hier über vierzig Bewohner. Siebzehn psychisch kranke Personen. Neun geistig Behinderte. Dazu noch eine Menge anderer Leute, denen die Nerven durchgehen. Bitte, ich bitte Sie, Sie müssen mir Leute schicken. Wenn ich nicht bald …«
    »Selbst wenn wir Kapazitäten hätten «, ging er dazwischen. »Wir kämen gar nicht zu Ihnen durch. Die Straße nach Marienbüren ist gesperrt. Es hat einen Erdrutsch gegeben. Da ist im Moment nichts zu machen. Haben Sie vielleicht Pumpen?«
    »Pumpen!« Wer hatte denn so was, und wo sollte man das Wasser denn noch hinpumpen? Es war doch überall.
    »Sobald sich die Lage etwas beruhigt hat, werden wir Ihnen helfen«, versicherte der Mann. »Aber ich kann im Moment nicht einschätzen, wann das sein wird.«
    »Sie können mir doch nicht erzählen, dass …« Sie hielt inne. Der Zorn übermannte sie. »Ach, Sie blöder Idiot!« Mit einer entschlossenen Bewegung warf sie den Hörer auf die Gabel. Das war natürlich kindisch, trotzdem fühlte sie sich danach ein bisschen besser.
    Sie stand auf und beugte sich nun zu dem Fenster, das zum Hof wies. Ein winziges Sprossenfenster in der meterdicken Mauer, kaum größer als eine Schießscharte. Der Bach strömte noch immer quer über den Hof. Schlammige Wassermassen, die bereits einen Großteil ihrer hübschen Beetanlagen zerstört hatten. An einem ehemaligen Stallgebäude spülte der Dreck gegen die Sandsteinmauer. Kleine Strudel entstanden, mitgerissene Äste sammelten sich, überall spritzte Wasser hoch.
    Die Tür wurde aufgerissen, und Lena, eine junge Abiturientin, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr im Stift Marienbüren absolvierte, stürzte hinein. Sie war durchnässt, ihr sonst so hübsches und seidenes Haar hing klatschnass vom Kopf herab.
    »Frau Eckart«, rief sie. »Alles ist überschwemmt! Der ganze Schweinestall. Die kleinen Ferkel …«
    Das Stift betrieb ein wenig Tierhaltung, ein paar Hühner, Ziegen, eine Milchkuh und ein halbes Dutzend Schweine. Sie waren Teil der therapeutischen Arbeit, und es waren immer die jungen Leute vom Freiwilligen Sozialen Jahr, die sich um die Tiere kümmerten.
    »Treib sie raus ins Freie«, sagte Erika Eckart. »Eine Weile lang müssen wir uns noch selber helfen. Die Feuerwehr kommt nicht zu uns durch.«
    »Ins Freie? Sie meinen, in den Regen?« Lena wirkte ganz verzweifelt. »Können sie nicht woandershin? Vielleicht in den Speisesaal, wenn wir die Tische raustragen?«
    »Warum nicht gleich in den Kreuzgang? Oder in die Kapelle?« Erika Eckart stand auf und ging an ihr vorbei zum Eingangsportal. »Es sind Tiere , Lena. Ein paar Regentropfen werden sie nicht umbringen. Treib sie in den Garten. Schlimm genug, wenn sie unsere
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