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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Gemüsebeete ruinieren.«
    Der umzäunte Garten lag hinter dem Gebäudekomplex, weitab vom Wasser des Bachs. Dort würden sie wenigstens nicht ertrinken. Das hoffte Erika Eckart zumindest. Als sie das letzte Mal hinter das Haupthaus gegangen war, hatte der Fischteich ausgesehen wie ein randvoller Eimer, der kurz davor war überzulaufen. Noch ein paar Tropfen, und der Teich würde sich über die Beete ergießen. Aber auch wenn die Schweine dort nasse Füße bekämen, wäre das immer noch besser, als wenn sie in ihren Ställen ersoffen. Lena spürte offenbar, dass sie mit weiteren Widerworten nichts erreichen würde. Außerdem war sie viel zu aufgeregt und hatte Angst um ihre Tiere. Also stieß sie einen wütenden Laut aus und rannte davon.
    Erika Eckart trat ans Portal und zog die schwere Eichentür auf. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass der kleine Bach solch eine Kraft entwickelt hatte. Fassungslos betrachtete sie die Wassermassen. Das Unwetter hatte nachgelassen. Jetzt wehte nur noch Sprühregen über den Hof. Das erste gute Zeichen an diesem Tag. Sie verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Steinmauer. Dann zog sie eine Zigarette hervor. So viel Zeit musste sein, wollte sie ihre Nerven behalten. Nach der Zigarette würde sie in den Wohnbereich gehen und sich um die Bewohner kümmern.
    Sie inhalierte tief, und für ein paar Sekunden war das Unwetter vergessen. Sie schloss die Augen. Was für ein gottverfluchter Tag. Der Rauch glitt lautlos durch ihre Lippen. Sie öffnete die Augen und suchte den Eingangsbereich ab. Auch wenn es in dem Chaos keinen Unterschied mehr machte, sah sie sich nach einer Möglichkeit um, ihre Asche abzuschnippen.
    Als sie wieder zum Hof blickte, stand eine Gestalt auf dem Gelände, dort, wo der Bach eine Biegung machte und zum Tor hinabfloss. Sie war wie aus dem Nichts aufgetaucht, keine zwanzig Meter von ihr entfernt. Erika Eckart hielt den Atem an.
    Es war ein junger Mann, der achtzehn, höchstens neunzehn Jahre alt war. Er stand im Regendunst und sah zu ihr herüber. Wie eine Erscheinung. Ihr entging nicht, wie hübsch er war. Rabenschwarzes Haar, volle blasse Lippen und hellblaue Augen. Regenwasser rann an seinem Gesicht hinab, doch das schien ihn nicht zu stören. Auch das Hemd und die Jeanshose waren triefend nass.
    »Wer bist du?«, rief sie und trat hinaus in den Sprühregen. »Was machst du bei diesem Wetter hier draußen? Das nächste Dorf ist sechs Kilometer entfernt.«
    Der Junge sah sie mit seinen großen wasserblauen Augen an. Es war, als würde er gar nicht verstehen, was sie sagte.
    »Möchtest du jemanden besuchen?«, fragte sie. »Bist du deshalb hier? Ich fürchte, da hast du dir einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht.«
    Sie sah sich um. Nirgends war ein Auto oder ein Fahrrad oder Ähnliches zu sehen.
    »Bist du etwa zu Fuß hergekommen? Den ganzen Weg von Marienbüren hierher?«
    Der Junge schwieg weiterhin. Sein Blick hatte etwas Hypnotisches. Erika Eckart vermied es, ihm zu lange in die Augen zu sehen.
    »Kannst du nicht sprechen? Was ist los mit dir? Wer bist du?«
    Sein Mund öffnete sich lautlos. Erika Eckart wartete.
    »Ich brauche Hilfe«, sagte er.
    »Ist dir etwas passiert? Oder deinen Eltern? Bist du alleine hier?«
    Keine Antwort. Er war wieder in Schweigen gefallen. Stand einfach da und sah sie mit seinen wasserblauen Augen an. Ich brauche Hilfe. Dabei würde es wohl bleiben.
    Der Sprühregen fiel auf sie beide nieder. Am liebsten hätte sie den Jungen am Arm genommen und ins Hauptgebäude geführt. Doch etwas ließ sie zögern.
    »Sag mir doch wenigstens deinen Namen.«
    Endlich bewegte er sich. Er hob die Hände und begann, sein nasses Hemd aufzuknöpfen. Ein dunkler Bluterguss erschien auf seiner blassen Brust. Er streifte das Hemd ab und ließ es zu Boden fallen. Erika Eckart erschrak. Sein zarter Oberkörper war voller Striemen und blauer Flecken. Überall waren Verletzungen. Blutergüsse. Narben. Auf seinem flachen Bauch erkannte sie kleine kreisrunde Brandwunden. Man hat Zigaretten auf ihm ausgedrückt, schoss es ihr durch den Kopf. Sie wich einen Schritt zurück.
    »Oh mein Gott«, entfuhr es ihr.
    Der Junge blickte auf. Blitze zuckten im Himmel, ein lautes Donnergrollen erfüllte die Luft, und im nächsten Moment ging ein gewaltiger Platzregen auf sie nieder.

3
    In der Wohnung herrschte Stille. Nicht der kleinste Laut war zu hören. Sanna stand in dem leeren Wohnzimmer und sah sich um. Die Wände waren schneeweiß und verströmten den

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