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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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schiere Dummheit des Ganzen, die Sinnlosigkeit, das unnötige Ausmaß an Gewalt …
    Was immer es war, ich merkte, wie ich plötzlich aus dem Wagen stieg und auf Elliot zutrat, der sich gerade wieder nach unten beugte und den Überresten des Camcorders einen weiteren deftigen Hammerschlag verpasste. Und ehe mir richtig bewusst wurde, was ich tat, hörte ich mich sagen: »Hey, lass gut sein, Preston … das bringt doch nichts …«
    Er erstarrte mitten im Schwung, stand einen Moment lang nur ganz still da, dann richtete er sich langsam auf, um mich anzusehen. Seine starrenden Augen erinnerten mich seltsamerweise an die Augen eines Porzellanesels, den meine Mutter immer auf dem Kaminsims stehen hatte.
    Ich sah ihn mit meinem beruhigendsten Lächeln an, hielt die Hände hoch, um ihm zu zeigen, dass ich keine Bedrohung war, und wollte gerade noch etwas sagen, um ihn zu beschwichtigen, als er urplötzlich auf mich zukam und sagte: »Ich zeig dir gleich, was das bringt, du Scheißkerl.« Und dann schwang er den Hammer in meine Richtung.
    Ich war schnell genug, um die größte Wucht zu vermeiden, und zum Glück war Elliot mit dem Stiel auf mich losgegangen und nicht mit dem Kopf des Hammers, trotzdem streifte mich der Stiel seitlich am Schädel, und auch wenn das nicht allzu wehtat, taumelte ich doch rücklings gegen den Wagen.
    Und das langte für mich. Ich hielt mir die Seite des Gesichts, stand im Regen gegen den Wagen gebeugt und beobachtete in resigniertem Schweigen, wie Elliot zu den Resten des zertrümmerten Camcorders zurückging und anfing, sie in den Boden zu stampfen.
    Drüben vom Haus aus beobachteten ihn auch seine zwei Kumpel; rauchend standen sie in der Tür und zeigten ansonsten kein großes Interesse. Ich konnte noch mehr Zuschauer sehen – Anwohner, die aus den Fenstern guckten, kleine Kinder auf Rädern, die auf uns zeigten und lachten … einen alten Mann mit einem alten Hund, wobei der alte Mann den Kopf schüttelte – so was hatte es zu seiner Zeit nicht gegeben –, während der alte Hund teilnahmslos am Hinterrad eines geparkten Autos sein Bein hob.
    Sie alle würden später etwas zu erzählen haben.
    Schließlich, nach ungefähr einer Minute oder so, ging Elliot entweder die Kraft aus oder er fand, dass er genug Schaden verursacht hatte. Jedenfalls richtete er sich nach einem letzten Tritt in die am Boden liegenden Camcorder-Reste auf, holte ein paarmal tief Luft und drehte sich zu mir um.
    »Okay …«, sagte er schwer keuchend. »Und jetzt verschwinde, du Arschloch. Und wenn ich noch ein Mal mitkriege, dass du mir folgst, wenn ich noch ein Mal deine Fresse sehe, egal wo, dann liegen nicht nur die Reste von deinem Camcorder im Gully, sondern auch die Reste von deinem beschissenen Hirn. Hast du verstanden?«
    »Ja«, sagte ich. »Ich hab verstanden.«
    »Das hoff ich, Wichser.«
    Ich lächelte ihn an.
    Einen Moment lang fürchtete ich, dass er wieder auf mich losgehen würde, aber er starrte mich nur ein paar Sekunden an und der Hammer schwang leicht in seiner Hand, dann spuckte er auf den Boden, wischte sich den Mund ab und ging zurück zum Haus.
    Ich beobachtete ihn die ganze Zeit.
    Ich sah, wie ihn seine Kumpel angrinsten und ihm auf die Schulter klopften, ich sah, wie er sich eine Zigarette anzündete, und dann sah ich, wie sie alle in den Ford Transit stiegen und langsam davonfuhren. Ich wartete, bis sie am Ende der Straße abbogen, und noch ein bisschen länger. Erst danach holte ich eine leere Tragetüte aus dem Kofferraum, kniete mich nieder und sammelte die Bruchstücke meines zerstörten Camcorders von der Straße auf.
    Die Speicherkarte fand ich in einer braunen Wasserlache. Sie war natürlich nass geworden und oben links an der Ecke hatte der Hammer ein bisschen Schaden angerichtet, doch ansonsten sah sie nicht allzu übel aus. Es bestand die Möglichkeit, dass sie noch funktionierte. Und wenn, dann war Preston Elliot im Arsch.
    Und wenn nicht …?
    Na ja, ich konnte jederzeit weitere Beweise gegen ihn finden. Oder jemand anderes. Oder vielleicht würde es auch keiner tun und er käme damit durch, seinem Arbeitgeber auf betrügerische Weise etwas Geld aus der Tasche zu ziehen. Doch was soll’s … es spielte keine Rolle. Es bedeutete nichts.
    Mir jedenfalls nicht.
     
    Nichts bedeutet mir etwas.
    Nicht mehr.
     
    Als ich wieder im Wagen saß, legte ich die Tüte mit den Resten des Camcorders auf den Rücksitz, zündete mir eine Zigarette an und betrachtete mich im

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