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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Hause losfuhr, hatte ich ihn auf einer seiner normalen Nummern angerufen, um zu hören, ob er wach und ansprechbar war. Normalerweise blieb er den größten Teil der Nacht auf und legte sich erst hin, wenn alle andern wieder aufstanden – aber zu meiner Überraschung ging er diesmal nicht nur an sein Handy und sagte, ich solle vorbeikommen, sondern klang dabei sogar relativ fit.
    Es war gegen neun, als ich den Wagen in der Nähe von seinem Haus abstellte. Noch immer hielt sich der Regen zurück und hinter den Wolken leuchtete sogar ein blasser Hauch Herbstsonne hervor. Trotzdem war es noch ziemlich kalt und der Wind schien aufzufrischen.
    Ein Müllcontainer lag umgestürzt am Straßenrand, die Mülltüten waren herausgefallen und auf dem Gehweg aufgeplatzt. Teile des Abfalls – leere Chipstüten, Plastikbeutel, Fast-Food-Verpackungen –, wirbelten im Wind herum wie Konfetti für eine Pennerhochzeit.
    Als ich ausstieg und den Wagen abschloss, fragte ich mich, wieso ich mir eigentlich die Mühe machte. Nicht nur, dass mein Auto kein Seitenfenster mehr hatte, es war auch sonst ein schäbiger alter Schrotthaufen. Ich meine, wer klaut schon einen zwölf Jahre alten Fiesta, der nur noch von Spachtelmasse und Plastiktüten zusammengehalten wird?
    Ich zog den Mantelkragen hoch und lief die Straße entlang zu Cals Haus. Es war ein hohes altes Gebäude mit schwarzen Geländern an den steilen Betonstufen, die zum Eingang hinaufführten. Die Seitenwände der Treppe hatten Risse und schlossen nach oben mit alten Steinplatten ab, die voller Vogelkot waren, auf der Haustür prangten schon seit Jahren Graffiti-Schmierereien. Die schwarz glänzende Überwachungskamera, die an der Wand über der Tür hing, passte kein bisschen zu der Schäbigkeit des Hauses, aber gerade dieses Missverhältnis war typisch für Cal.
    Cal wohnte dort, seit er siebzehn war. Zu der Zeit hatten ihn seine Eltern schon rausgeworfen und er war von jeder Schule geflogen, die er je besucht hatte. Das lag weniger daran, dass er ein übler Kerl war – auch wenn er manchmal ziemlich wild sein konnte –, auch an Intelligenz fehlte es ihm nicht. Eher war Cal zu klug für die Schule. Er langweilte sich schnell, und wenn er sich langweilte, suchte er sich etwas Spannendes, das er tun konnte. Und etwas Spannendes hieß für ihn meistens etwas Illegales. Wie Kreditkartenbetrug, Hacken, Phishen …
    Er war extrem gut in dem, was er tat.
    Er war noch nie erwischt oder verhaftet worden.
    Und er verdiente eine Menge Geld damit.
    Als er einzog, war das Haus eine illegal besetzte Bruchbude gewesen, doch dem Gerücht nach hatte er ein paar Jahre später heimlich, still und leise das ganze Gebäude gekauft. Ich wusste nicht, ob das stimmte. Und wenn es stimmte, dann wusste ich nicht, ob er es ganz legal erworben hatte oder nicht. Aber noch einmal: Es interessierte mich nicht. Ich mochte Cal. Und Stacy hatte ihn auch gemocht – als Einzige in der Familie – und das bedeutete mir viel. Auch Cal bedeutete es viel.
    Inzwischen war er achtundzwanzig. Er hatte mir mit allem Möglichen geholfen, seit er vierzehn war, und in der ganzen Zeit hatte er mich noch nie hängen lassen. Deshalb war Cal in meinen Augen absolut in Ordnung.
    Ich klingelte, wartete, zog den Kragen hoch gegen den Wind. Die Atmosphäre des Hauses hatte sich seit der Zeit der Hausbesetzung nicht geändert – obwohl ich mir vorstellte, dass Cal inzwischen eine Art Miete verlangte –, und wie ich dort auf der Treppe stand, hörte ich in verschiedenen Teilen des Hauses verschiedene Arten von Musik: etwas Rapartiges im Erdgeschoss, eine Gitarrenband im ersten Stock und aus dem offenen Fenster im zweiten Stock schwebte eine Opernstimme. Es klang gut.
    Das Mädchen, das die Tür öffnete, war nicht größer als ein Meter vierzig. Sie trug ein hellblaues Top mit einem Tigerkopf vorne drauf, einen sehr kurzen fadenscheinigen Rock, eine schwarze Strumpfhose und Monkey Boots. An ihren Handgelenken klimperten Plastikarmreife, an den Ohren glitzerten silberne Stecker und um den Hals hatte sie Schnüre mit bunten Perlen geschlungen, außerdem einen geknoteten schwarzen Lederriemen und eine kleine Plastikpuppe an einer Kette. Die King-Size-Zigarette, die ihr aus dem mit Lipgloss geschminkten Mund hing, war viel zu groß für sie.
    »Ja?«, fragte sie und sah mich mit glasigen Augen an.
    »Ich möchte zu Cal.«
    Sie nahm die Zigarette aus dem Mund und schaute über meine Schulter. »Wer bist du?«
    »John Craine. Cal

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