Schlafende Geister
letzte Nacht zum Wyvern fuhr –«
»Du weißt schon, dass der Typ, dem es gehört, auf Meth ist, oder?«
»Echt?«
»Die kochen das dort anscheinend direkt in der Küche.«
»Cal«, sagte ich entschieden.
Er grinste mich an. »Was?«
»Hältst du vielleicht jetzt mal einfach die Klappe und hörst mir eine Minute zu, verdammt noch mal?«
Er hörte nicht auf zu grinsen. »Ja, kein Problem … erzähl weiter. Bin ganz Ohr.«
»Gut«, seufzte ich.
»Ganz Ohr, null Mund.«
Ich starrte ihn an.
Er tat so, als würde er seinen Mund mit einem Reißverschluss schließen.
Ich wartete einen Moment und starrte in seine liebenswert irren Augen, dann sprach ich ganz langsam und ruhig. »Letzte Nacht … ehe ich überfallen wurde … ich glaube, da ist mir jemand in einem silbergrauen Renault gefolgt.«
Cal sagte nichts, sondern hob nur die Augenbrauen.
»Ich dachte, ich hätte ihn abgehängt«, fuhr ich fort. »Doch kurz bevor mich der Schlag des ersten Kerls traf, hab ich gesehen, dass der Wagen auf der Straße ein Stück weiter unten parkte. Natürlich muss das nicht heißen, dass ich von dem, der mir in dem Renault gefolgt ist, zusammengeschlagen wurde, wer auch immer es war – aber ich finde, das ist ziemlich naheliegend. Was meinst du?«
Cal sah mich mit zusammengepressten Lippen an.
»Du kannst jetzt wieder was sagen«, seufzte ich.
Er lächelte. »Hast du das Kennzeichen?«
»Yep.«
»Scheiße, wieso hast du das denn nicht gleich gesagt?«
»Hätte ich ja, wenn du mich nicht ständig –«
»Wenn ich dich nicht ständig unterbrochen hätte?«
Ich sah ihn an. »Hast du einen Stift?«
»Sag mir einfach das Kennzeichen«, meinte er und schnappte sich den nächstbesten Laptop.
Ich tat es und sah zu, wie seine Finger über die Tastatur flogen und sich die Augen manisch am Bildschirm festsaugten.
»Wie lange dauert das?«, fragte ich und schaute auf meine Uhr.
»Merkwürdig«, sagte er und schaute stirnrunzelnd auf den Schirm. »Bist du sicher, dass du mir die richtige Nummer gegeben hast?«
»Ja.«
Er nickte. »Und es kann nicht sein, dass du dich verlesen hast oder dich einfach falsch erinnerst?«
»Ich glaub nicht. Wieso, was ist los?«
Er drückte wieder ein paar Tasten, dann schüttelte er den Kopf. »Das Kennzeichen ist gesperrt. Die Datenbank spuckt keine Details aus.«
»Was heißt das?«
Er starrte ein paar Sekunden lang weiter den Bildschirm an, dann zog er nachdenklich an seiner Zigarette. »Das heißt«, sagte er und stieß den Rauch aus, »na ja … es könnte heißen, dass du ganz schön in der Scheiße steckst.«
»Wieso?«
Er sah mich an. »Ein gesperrtes Kennzeichen bedeutet normalerweise, dass das Fahrzeug aufs Militär, auf die Polizei oder den Geheimdienst zugelassen ist.«
»Geheimdienst?«
»Ja, du weißt schon, MI 6, MI 5, Nachrichtendienst … irgendwas in der Art. Du hast dich doch wohl nicht mit Spitzeln eingelassen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste.«
»Wenn es ein Polizeifahrzeug ist«, redete Cal weiter und wandte sich wieder dem Bildschirm zu, »weiß ich wahrscheinlich eine Möglichkeit, an die Daten ranzukommen. Aber wenn es dem Militär oder dem Geheimdienst gehört … tja, das ist schon ein bisschen komplizierter. Und riskanter.« Er schaute wieder zu mir und ich wusste, er war jetzt gepackt, wollte unbedingt mehr über den Fall wissen. Doch obwohl er ununterbrochen quasselte, vor allem, wenn er auf Speed war, würde Cal niemals einfach vorpreschen und fragen, woran ich arbeitete. Immer würde er warten, dass ich es ihm erzählte. Und wenn ich – warum auch immer – den Fall nicht diskutieren wollte, würde er meine Entscheidung ohne weitere Fragen akzeptieren.
»Erinnerst du dich an das Mädchen hier aus der Stadt, das vor ungefähr einem Monat verschwunden ist?«, fragte ich ihn.
Er überlegte einen Moment, dann nickte er. »Klar … Anne Mellish oder so ähnlich. Die war doch Model –«
»Anna Gerrish.«
»Genau.«
»Und sie war kein Model. Sie war nur …« Ich unterbrach mich kurz, weil ich sauer war, dass ich Anna jetzt schon selber für nur irgendwas hielt – nur eine Kellnerin, nur einen Junkie, nur eine Gelegenheitshure. Sie war ein Mensch und fertig. »Egal«, fuhr ich fort. »Annas Mutter hat mir den Auftrag erteilt, mich um das Verschwinden ihrer Tochter zu kümmern. Deshalb war ich letzte Nacht im Wyvern. Anna hat da als Kellnerin gearbeitet.«
Cal nickte. »Und was ist mit dem Renault und den Kerlen,
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