Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
Vom Netzwerk:
die Zeit genommen hast, mit mir zu sprechen. Ich weiß das wirklich zu schätzen.«
    »Okay«, sagte sie hastig und wandte sich zum Gehen um.
    »Hast du irgendwas von dem allen der Polizei erzählt?«, fragte ich sie.
    Sie blieb stehen. »Nein.«
    »Wieso nicht?«
    »Sie haben mich nicht gefragt.«
    »Klar … also, danke noch mal, Genna. Und wenn dir noch irgendwas einfällt, meine Nummer steht auf der Karte, die ich dir gegeben habe – Büronummer und Handy. Du kannst mich immer anrufen.«
    »Ja …«
    »Und viel Glück damit«, sagte ich.
    »Womit?«
    »Dass du’s schaffst, clean zu bleiben.«
    Sie sah mich einen Moment an und rieb sich instinktiv über die verblassten Nadelspuren an ihrem Arm, dann drehte sie sich um und ging, ohne noch etwas zu sagen.
     
    Ich blieb nicht mehr lange. Noch ein kurzer Drink und eine Zigarette, während ich nachdachte über das, was Genna mir gerade erzählt hatte, dann machte ich mich auf den Weg. Inzwischen hatte es ganz aufgehört zu regnen, und auch wenn die Nacht kalt war, die Luft schien jetzt frisch und klar. Als ich die Straße entlang zu meinem Wagen zurücklief, hörte ich in der Ferne das schwere Stampfen der Bässe einer Musik – dump-dump, dump-dump, dump-dump, dump-dump. Offenbar erwachten die Clubs langsam zum Leben.
    Ich schaute auf meine Uhr. Es war 22.45 Uhr.
    Später, als ich gedacht hatte.
    Und jetzt, draußen an der frischen Luft, merkte ich auch allmählich, dass ich ein bisschen betrunkener war, als ich gedacht hatte. Ich überlegte, ein Taxi zu nehmen. Ich wusste, es wäre vernünftig gewesen, aber das hätte bedeutet, den Wagen über Nacht dazulassen, und das wiederum hätte bedeutet, am andern Morgen noch mal kommen und ihn holen zu müssen. Doch wenn ich kein Taxi nahm, wenn ich in diesem Zustand nach Hause fuhr und die Polizei mich erwischte …
    Das war es, worüber ich nachdachte, während ich sonst auf nichts weiter achtete, als plötzlich drei Dinge fast gleichzeitig passierten. Das Erste war, dass ich den silbergrauen Renault entdeckte, der auf halbem Weg die Straße hinunter parkte. Auch wenn es zweifellos eine Lücke von etwa einer halben Sekunde gab zwischen dem Sehen des Wagens und dem Begreifen , dass ich ihn gesehen hatte, glaube ich nicht, dass diese Verzögerung einen Unterschied machte. Das Zweite war, dass, als ich stehen blieb, um über den Renault nachzudenken, aus dem Schatten eines Durchgangs zu meiner Linken eine Stimme rief: »Hast du mal Feuer, Kumpel?«
    Und das Dritte war, dass mir, als ich mich instinktiv nach der Stimme umsah, eine stark beringte Faust seitlich voll gegen den Kopf flog.
    Danach ist alles ein wenig verschwommen. Ich erinnere mich noch schwach, dass ich, fast ausgeknockt von dem Schlag, rücklings gegen eine Backsteinmauer taumelte, und dann, glaube ich, traf mich noch einmal ein Schlag, diesmal tief in den Bauch, und als ich mich vor Schmerzen krümmte, packte ein anderer Typ meinen Arm und schleuderte mich halb, halb zerrte er mich in den Durchgang. Danach, glaube ich, muss ich das Gleichgewicht verloren haben und gestürzt sein – oder vielleicht haben sie mich auch noch einmal geschlagen. Jedenfalls lag ich am Boden und irgendwelche Typen traten mir die Scheiße aus dem Leib.
    Es war zu dunkel und es ging viel zu schnell, um sie zu sehen, und ich hörte auch ihre Stimmen nicht, denn sie sprachen kein Wort. Sie keilten nur in mich rein – traten, schlugen, stampften … alles in wütendem Schweigen, und ich konnte nur daliegen und einstecken. Nach einer Weile schien mein Körper nicht mehr zu mir zu gehören. Er war bloß ein Ding, ein Klumpen Fleisch, und was immer mit ihm geschah, geschah sehr weit weg.
    Ich weiß nicht, wie lange die Schläge anhielten – wahrscheinlich nicht länger als dreißig Sekunden oder so – und ich habe auch überhaupt keine Erinnerung an den Tritt gegen den Kopf, der mich schließlich ausknockte … ich weiß nur, dass ich einige Zeit später blutüberströmt und mit höllischen Schmerzen in dem Durchgang zu mir kam.
    Mir war kalt und ich war nass.
    Es regnete wieder.
    Ich überprüfte sämtliche Taschen, aber nichts fehlte. Brieftasche, Handy, Schlüssel, Geld … alles noch da. Als ich tief Atem holte und die eiskalte Luft einsog, spürte ich ein Gurgeln hinten in der Kehle.
    Ich keuchte und würgte Blut hoch.
    Das schmerzte.
    Ich spuckte es aus.
    »Fuck«, sagte ich.
    Dann beugte ich mich vor und übergab mich.
     

7
    Ich nahm Nebenstraßen, fuhr den ganzen Weg

Weitere Kostenlose Bücher