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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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erwartet mich.«
    Sie starrte mich einen Moment an, dann zuckte sie die Schultern und öffnete die Tür. Ich ging durch in den Flur, der vollstand mit Fahrrädern, Mülltüten und trocknenden Anziehsachen auf Wäscheständern. Auf der rechten Seite führte eine steile Treppe nach oben und am anderen Ende des Flurs war eine große Gemeinschaftsküche. Das Haus roch nach nassen Klamotten, Suppe und Marihuana.
    Das Mädchen nahm die Zigarette aus dem Mund und kratzte sich den Arm. »Cal wohnt am Ende vom Flur«, sagte sie. »Unten im Keller.«
    »Ja, danke.«
    Sie stieg die Treppe hoch und ich ging den Flur entlang. Am Ende führte ein enger Schacht mit steiler Wendeltreppe nach unten in den Keller. Auch hier waren Überwachungskameras an der Wand installiert und ich wusste, dass Cal mir wahrscheinlich zusah, wie ich mich steif die Treppe hinunterbewegte. Meine Beine schmerzten jetzt richtig und ich konnte die Knie kaum mehr beugen – ein Zustand, der fürs Treppensteigen nicht gerade förderlich ist –, deshalb dauerte es eine Weile, bis ich unten war. Als ich endlich ankam, stand die Tür zu Cals Wohnung schon offen und er wartete am Eingang auf mich. Er sah so gut aus wie immer: ein attraktiv verlebtes Gesicht, ein ungekämmtes Wirrwarr tiefschwarzer Haare, Ringe in den Ohren, Augenbrauenstecker, ein Hauch von Eyeliner. Dazu trug er ein einfaches schwarzes Hemd, hautenge schwarze Jeans und schwarze Lederstiefel mit roten Schnürsenkeln.
    »Scheiße, Onkel Johnny«, sagte er grinsend, als er mein Gesicht sah. »Was hast du denn getrieben?«
     
    Bis er mich in die Wohnung geführt und Kaffee gemacht hatte – wobei ich mich an einen der Schreibtische setzte und ihm in kurzen Zügen erzählte, was mir vor dem Wyvern passiert war –, hatte ich schon begriffen, dass er irgendwas eingeworfen hatte, was ihn total aufputschte. Seine Augen waren riesig, er zuckte wie ein Irrer, leckte sich ständig die Lippen und konnte nicht länger als eine Sekunde stillhalten.
    »Seit wann bist du wach?«, fragte ich ihn, als er mir einen Becher Kaffee reichte.
    »Keine Ahnung«, sagte er schulterzuckend. »Ein, zwei Tage … ich bin da an was dran …«
    »Was meinst du damit?«
    Er machte eine rasche Kopfbewegung hin zu einer Arbeitsplatte auf der anderen Seite des Zimmers. Lauter Technikkram lag verstreut darauf herum: diverse Laptops in den verschiedensten Stadien der Demontage, Handys, Drähte, Kabel, Router, Werkzeug … und auch ein paar Sachen, für die ich nicht mal den Namen wusste. Ich schaute zu Cal zurück und wartete darauf, dass er mir erzählte, woran er arbeitete, aber er hatte sich schon abgewendet und ging wieder zurück in den kleinen Küchenbereich. Ich hatte mich immer gefragt, wieso die Küche im Verhältnis zum Rest der Wohnung so winzig war. Cal hatte zwei Kellerwohnungen zu einem großen Wohnbereich zusammengelegt, mit einem kleinen Schlafzimmer und einem Bad am anderen Ende. Die Decke des Raums war niedrig, er war komplett weiß gestrichen und fast ganz vollgestellt mit Cals Arbeitszeug: Computern, Bildschirmen, Druckern, Scannern, Schreibtischen, Handys, Kameras, Fernsehern, Aufnahmegeräten. In einer Ecke gab es auch einen kleinen Wohnbereich mit schwarzem Ledersofa und einem riesigen Breitbildfernseher, doch in der ganzen Zeit, die Cal hier wohnte, hatte ich nie erlebt, dass er dort saß.
    »Und die Typen, die dich zusammengeschlagen haben«, sagte er, während er eine Dose Red Bull aus dem Kühlschrank holte. »Haben die mit irgendwas zu tun, woran du arbeitest?«
    »Tja, das ist der Punkt.«
    »Die Gesichter hast du nicht sehen können?«
    »Ich hab überhaupt nichts gesehen. Ich bin nicht mal sicher, ob es zwei Leute waren.«
    Er riss sein Red Bull auf und trank die Dose in einem Zug leer. »Sie haben dich nicht ausgeraubt?«
    »Nein.«
    »Hast du dir in letzter Zeit Feinde gemacht?«
    Ich dachte an Fitch, den Dealer aus dem Wyvern mit den strähnigen Haaren, aber Genna hatte gesagt, dass er nur ein Sprücheklopfer sei, und wahrscheinlich hatte sie recht damit. Und dann war da noch Preston Elliot … aber irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass er sich die ganze Mühe machte, mir überall nachzufahren und mir dann im Dunkeln aufzulauern. Das war einfach nicht sein Stil.
    »Da war ein Wagen –«, fing ich an.
    »Hast du ’ne Zigarette?«, unterbrach er mich.
    Ich zog die Schachtel heraus. »Hör zu, Cal«, sagte ich, reichte ihm eine Zigarette und zündete mir selbst eine an. »Als ich

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