Schlafende Geister
übertönen, füllte mein Glas mit Whisky und trank mich in den Schlaf.
8
Irgendwann in der Nacht muss ich aus dem Sessel aufgestanden sein, den Fernseher ausgemacht haben und ins Bett gegangen sein. Ich habe keine Erinnerung daran, doch als ich am Morgen aufwachte, lief der Fernseher nicht mehr, ich lag eindeutig im Bett, und soweit ich wusste, war niemand sonst in der Wohnung gewesen. Also musste ich es gewesen sein.
Es war noch recht früh, nicht ganz sieben, und das graue Tageslicht kroch gerade erst durch die Fenster. Der Regen hatte aufgehört, doch die Luft war feucht und kalt. Ein stürmischer Herbstwind rüttelte an der Scheibe des Küchenfensters.
Mein Körper war über Nacht steif geworden und ich brauchte eine Weile, um aus dem Bett zu kommen und in den Tag hineinzufinden, aber nachdem ich den gewohnten Ablauf hinter mir hatte – Klo, Kaffee, Schmerztabletten, Toast, Eier, Kaffee, Zigarette, Klo … Na ja, besser fühlte ich mich zwar nicht, aber immerhin auch nicht schlechter.
Die nächste halbe Stunde oder so tat ich so gut wie nichts, bis ich um acht Uhr Ada zu Hause anrief.
»Was gibt’s?«, fragte sie ruppig.
»Einen schönen guten Morgen«, sagte ich.
»Was soll daran schön sein? Und wieso rufen Sie mich so früh an?«
»Ich wollte bloß Bescheid sagen, dass ich heute Morgen nicht ins Büro komme. Ist das okay, wenn ich alles Ihnen überlasse?«
»Sie überlassen doch immer alles mir.«
»Ja, ich weiß. Ich hab nur gemeint –«
»Ich weiß, was Sie gemeint haben, John«, sagte sie sanft. » Natürlich ist es in Ordnung. Wo sind Sie zu erreichen, falls ich Sie brauche?«
»Ich hab eine Verabredung mit Bishop um halb zwölf und vorher schau ich mal bei Cal vorbei.«
»Dann hat Bishop Sie also angerufen?«
»Ja.«
»Ist ein fieses Arschloch, nicht?«
»Yep.«
Ich hörte, wie sie eine Zigarette anzündete. »Und wie lief’s gestern Abend? Haben Sie in Annas Wohnung irgendwas gefunden?«
Ich gab Ada eine kurze Zusammenfassung, was ich über Anna herausgefunden hatte – das mit dem Heroin, mit der Prostitution, die Möglichkeit, dass ihr Vater sie missbraucht hatte. Nur von dem Renault und der Schlägerei sagte ich nichts.
»Und?«, fragte Ada, als wir durch waren. »Was heißt das Ihrer Meinung nach?«
»Keine Ahnung«, gab ich zu. »Vielleicht heißt es ja überhaupt nichts.«
»Außer dass ihr Leben total im Arsch war.«
»Ja, sieht so aus …«
»Wieso sprechen Sie so komisch?«
»Wie denn?«
»Total lispelig.«
»Lispelig?«
»Sie klingen, als hätten Sie eine heiße Kartoffel im Mund.«
Ich fuhr mir mit der Zunge über die aufgeplatzte Lippe. »Ach so, das … das ist nur … ach, nichts. Nur eine kaputte Lippe. Ich erzähl’s Ihnen später.«
»Ooh«, zog sie mich auf. »Ich sterbe vor Neugier.«
»Ja … gut, ich komme dann wohl irgendwann am Nachmittag ins Büro, okay?«
»In Ordnung.«
So gegen halb neun, als ich gerade gehen wollte, hörte ich laute Stimmen von oben. Bridget und Dave stritten sich. Viel konnte ich nicht verstehen, aber der Tonfall machte klar, worum es ging: Wut, Frust, Beschwichtigungen, Ausflüchte – Du verstehst das nicht … Doch … Nein …
Nach einer Weile legte sich der Streit und ein leises Schluchzen begann. Bridget weinte. Ein paar Minuten später hörte ich wütende Schritte die Treppe hinabpoltern, dann ging die Haustür auf und schlug wieder zu. Dave Dave stürmte hinaus.
Ich wartete, bis sein Wagen ansprang und mit dem unvermeidlichen Reifenquietschen wegfuhr, dann öffnete ich die Tür und trat auf den Flur. Ich hörte Bridget noch immer leise weinen und nur für einen Moment ertappte ich mich, wie ich die Treppe hinaufstarrte und überlegte, ob ich nicht hochgehen sollte, um sie …
Um was? , fragte ich mich.
Sie zu trösten?
Sie in den Arm zu nehmen?
Ihr zu sagen, dass sie ohne ihn besser dran wäre?
Ich schüttelte den Kopf, schloss die Tür ab und ging.
Cal Franks besaß mindestens vier Handys, vielleicht mehr. Es gab seine zwei »normalen«, die er für unkomplizierte alltägliche Anrufe nutzte. Dazu ein anderes, das er mit einem Signal-Booster ausgestattet hatte für den Fall, dass der Empfang schlecht war. Und dann gab es noch sein »besonderes« Handy, das – behauptete Cal – absolut anonym war, nicht abgehört und auch nicht zurückverfolgt werden konnte.
Ich wusste nicht, wofür er dieses besondere Handy brauchte, und wollte es auch gar nicht wissen.
Schon bevor ich von zu
Weitere Kostenlose Bücher