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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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war frei, doch ich musste auf einen Lastwagen warten, der aus der anderen Richtung vorbeirumpelte. Sobald er weg war, legte ich den Gang ein, machte eine scharfe 180-Grad-Kehre, sodass ich in die Richtung fuhr, aus der ich gerade gekommen war, hielt jedoch gleich an, um noch mal eine extrem scharfe Kehre zu fahren, diesmal links in die Parkbucht hinein. Zuerst war es nur ein schmaler Weg, der nach rechts von der Straße wegführte, bevor er allmählich in eine etwas breitere Fläche aus brüchigem Beton mündete. Es war jetzt fast dunkel, und während ich langsam weiter bis zu der breitesten Stelle fuhr, erhellten die Scheinwerfer des Wagens die Düsternis vor mir. Der Parkplatz selbst war nichts als eine leere Fläche voller Schlaglöcher. Ein paar Abfallreste lagen herum – eine leere Kentucky-Fried-Chicken-Schachtel, ein paar Burger-Packungen, Plastiktüten hatten sich in den Bäumen verfangen –, aber nichts davon sah frisch aus. Das hier war ein Ort, an dem nur selten jemand hielt. Die Bäume und Hecken ringsum beugten sich tunnelartig über den Parkplatz und verströmten eine Atmosphäre von Abgeschiedenheit und Isolation.
    Ich parkte den Wagen, stellte den Motor ab.
    Die Stille war allgegenwärtig.
    Ich saß eine Weile da und schaute auf die nun noch dunkler werdende Umgebung, ließ meinen Augen Zeit, sich an die Finsternis zu gewöhnen, und versuchte mir vorzustellen, was ich wohl denken würde, wenn es halb drei Uhr morgens wäre und ich eine Leiche im Auto hätte. Würdest du sie hier loswerden? , fragte ich mich. Würdest du dich sicher genug fühlen, um es hier zu tun? Und wenn ja, wo genau würdest du sie entsorgen?
    Ich nahm das Handy.
    »Cal?«, fragte ich.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja. Ich bin jetzt auf dem Parkplatz. Ich geh nur mal schnell und schau mich um, ja?«
    »Aber lass das Handy an.«
    »Ja.«
    Ich fasste unter den Sitz und zog eine Taschenlampe hervor, schaute, ob sie auch funktionierte, und schaltete sie wieder ab, dann öffnete ich die Tür und stieg aus. Den Bach, den Cal meinte, hatte ich schon entdeckt – zumindest hatte ich einen baumbestandenen Erdwall gesehen, der parallel zum Parkplatz verlief und auf halber Strecke aufhörte, also ging ich davon aus, dass dort der Bach sein musste, den Cal auf Google Earth gesehen hatte. Als ich den Parkplatz überquerte und auf die Stelle zuging, wo der Wall steil nach unten abfiel, spürte ich zunehmend etwas Herbes in der Luft – von verrotteten Blättern, Abfall, toten Dingen. Den stechenden Geruch nach Verwesung. Es gab eine kleine Lücke zwischen dem Ende des Walls und einem undurchdringlichen finsteren Weißdorndickicht, gerade breit genug, dass sich ein erwachsener Mann durchzwängen konnte. Als ich mich der Lücke näherte, schaltete ich die Taschenlampe wieder ein. Ich bin mir nicht sicher, was ich dort zu sehen erwartete – Fußspuren vielleicht oder einen Stofffetzen, der sich an einem Ast verfangen hatte –, aber natürlich war nichts da. Wenn hier tatsächlich etwas passiert war, dann war es vor einem Monat geschehen – Zeit genug für Wind und Regen, alle Beweisspuren auszulöschen.
    Ich bewegte mich näher an die Lücke heran, hob die Taschenlampe und versuchte zu erkennen, was auf der anderen Seite war. Ich sah nur Dunkelheit, Leere und die Spitzen von Bäumen. Ich schob mich in die Lücke, drehte mich zur Seite, um den Dornen so gut wie möglich auszuweichen, und bahnte mir langsam meinen Weg. Meine Füße rutschten immer wieder auf dem von Regen aufgeweichten Lehm aus und ich musste nach einem dickeren Ast fassen, um nicht zu fallen. Vorsichtig kämpfte ich mich weiter und schwenkte den Taschenlampenstrahl vor mir über den Boden. Links von mir gab es nur Bäume – ein undurchdringliches Weißdorndickicht –, während ich rechts etwas weiter weg den Bach sah, ein flaches, lehmig braunes Rinnsal in einem schmutzigen Graben. Direkt rechts von mir brach der Erdwall plötzlich ab und zweieinhalb bis drei Meter darunter lag ein morastiger schwarzer Tümpel. Der Bach sickerte in den Tümpel, bevor er dann weiter in ein spirreliges, mit Abfall übersätes Waldstück rann. Der Tümpel war über Jahre hinweg als Müllkippe missbraucht worden, und als ich mit der Taschenlampe in die Dunkelheit leuchtete, sah ich allen möglichen Abfall dort unten: große Brocken Beton, Säcke mit hart gewordenem Zement, Rollen rostigen Stacheldrahts, Wellblechplatten, eine alte Badewanne, Eisenpfosten, verrostete Ketten und …
    »Scheiße«,

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