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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Überwachungskameras … eine an der Kreuzung mit der Straße, die zurück in die Stadt führt, und eine ein paar Kilometer weiter an einem Bahnübergang über die Nebenstrecke … du weißt schon, mit einer Schranke.«
    »Ja, ich weiß, welchen du meinst.«
    »Gut, also hab ich mal grob geschätzt, wie lange der Kerl wohl von der Parkbucht zur Kreuzung gebraucht hätte und dann weiter bis zu der Schranke. Dann hab ich mich in das Videomaterial von den entsprechenden Zeiten gehackt … und was glaubst du? Ich hab ihn tatsächlich gefunden.«
    »Wo, an der Kreuzung?«
    »An der Kreuzung und am Bahnübergang.«
    »Und du bist sicher, dass es derselbe Wagen ist?«
    »Ja, aber –«
    »Derselbe Fahrer?«
    »Derselbe Kerl.«
    »Und was ist mit Anna? Ist sie –?«
    »Verdammte Scheiße, John«, sagte er ärgerlich. »Das will ich dir doch die ganze Zeit erzählen. Hör einfach zu, ja? Hörst du?«
    »Ja, tut mir leid.«
    »Okay«, seufzte er. »Also gut … als der Nissan an der Kreuzung vorbeifährt, sitzt eindeutig jemand auf dem Beifahrersitz. Das Material ist auch wieder zu unscharf, um sagen zu können, ob es Anna Gerrish ist oder nicht, aber es sitzt jedenfalls eine Frau im Wagen, als er an der Kreuzung vorbeikommt. Aber dann … also, wenn er mit der gleichen Geschwindigkeit weitergefahren wäre, hätte er eine Minute später am Bahnübergang sein müssen, war er aber nicht. Ich hab das Filmmaterial genau überprüft, eine Minute rückwärts, dann eine Minute weiter nach vorn, aber auch da nichts von einem Nissan. Dann hab ich das Band im Schnellvorlauf weitergespielt –«
    »Und hast du ihn gefunden oder nicht, Cal?«, fragte ich ungeduldig.
    »Er hat den Bahnübergang erst eine halbe Stunde später überquert.«
    »Was?«
    »Der Nissan war um 1.55 Uhr an der Kreuzung, am Bahnübergang taucht er aber erst um 2.26 auf.«
    »Scheiße.«
    »Ja, und noch was. Als er zum Bahnübergang kommt, ist niemand mehr auf dem Beifahrersitz.«
    »Bist du sicher?«
    »Verdammt sicher. Ich hab alles wieder und wieder angeguckt. Ich hab das Video angehalten, da wo der Wagen über die Schienen fährt … um es genau zu sagen, ich hab die Stelle gerade vor mir auf dem Laptop. Es ist eindeutig derselbe Wagen mit eindeutig demselben Kerl auf dem Fahrersitz und eindeutig niemandem auf dem Beifahrersitz. Und auch niemandem hinten. Wenn er nicht irgendwo jemanden versteckt hat, ist keiner außer dem Fahrer im Wagen.«
    »Scheiße«, sagte ich wieder.
    »Genau.«
    »Dann heißt das doch –«
    »Dass er eine halbe Stunde lang irgendwo zwischen Kreuzung und Bahnübergang stehen geblieben und während dieser Zeit Annas Leiche losgeworden ist.«
    »Wenn es Anna ist .«
    »Wir wissen , dass sie es ist, John.«
    »Ja …«
    »Und jetzt wissen wir auch, wo wir sie finden. Ich meine, das sind achthundert Meter zwischen Kreuzung und Bahnübergang … es kann da nicht so viele Stellen geben, wo sich ungesehen ein Auto abstellen lässt. Fahr los, John, bevor es zu dunkel wird.«
    »Bin unterwegs«, sagte ich, ließ den Motor an und fuhr im Rückwärtsgang über den Picknickplatz. »Ich ruf dich wieder an, sobald ich dort bin. Wenn du in der Zwischenzeit eine genaue Karte der Gegend auftreiben kannst …«
    »Schau ich mir gerade auf Google Earth an. Ich kann versuchen, sie dir auf dein Handy zu schicken, wenn du willst.«
    »Verdammte Scheiße, für wen hältst du mich?«, sagte ich und knallte mit dem Heck gegen den Picknicktisch. »Bin ich Jack Bauer oder was?«
     
    Bis ich den Bahnübergang erreichte, war es kurz vor halb sechs und das Tageslicht fast verschwunden. Es war diese Zeit unmittelbar vor der Dämmerung, wenn das Licht zögerlich wird und die Gestalt aller Dinge verschwimmt. Es gab hier draußen keine Straßenbeleuchtung, und als ich auf der Südseite des Übergangs am Straßenrand anhielt, hatte das, was es hier zu sehen gab, seine Konturen verloren – das graue Band der Straße verschmolz mit dem trüben Graugrün der Straßengräben, mit niedrigen Hecken und kahlen Bäumen.
    Ich zündete eine Zigarette an und meldete mich bei Cal.
    »Wo bist du?«, fragte er.
    »Am Übergang. Hast du noch die Straße auf Google Earth vor dir?«
    »Ja, und ich hab auch ein paar Stellen gefunden, wo es sich lohnt, mal nachzugucken. Wenn wir annehmen, dass er Anna irgendwo zwischen Kreuzung und Bahnübergang umgebracht und die Leiche entsorgt hat, dann musste er einen Ort finden, wo er den Wagen abstellen und das Ganze durchziehen konnte,

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