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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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konzentriert … und ich konnte mir das Surren in seinem Kopf vorstellen, die geschäftige graue Gehirnmasse hinter den Augen, die etwas zu finden versuchte – Optionen abwog, Dinge durchspielte, dies bedachte, das bedachte…
    Ich war so müde – und auch erschöpft von dem Speed –, dass meine eigene graue Gehirnmasse hin und her tänzelte wie ein Boxer mit Hirnschaden.
    Schließlich seufzte Bishop und sagte: »Wissen Sie, was Ihr Problem ist?«
    »Bestimmt sagen Sie es mir.«
    Er lächelte. »Sie sind genau wie Ihr Vater. Er war auch so eine gottverdammte Nervensäge. Und schauen Sie, wohin ihn das geführt hat.«
     
    Etwa eine Stunde später wurde ich zum Eastway-Polizeirevier gefahren, wo ich noch einmal ungefähr eine Stunde herumsaß und darauf wartete, dass sie wieder meine Fingerabdrücke und meine DNA nahmen, um mich als Täter auszuschließen. Danach wurde ich zur weiteren Befragung in einen Verhörraum gebracht.
    »DCI Bishop ist immer noch am Tatort«, erklärte mir ein Polizeibeamter in Uniform. »Aber er müsste bald kommen. Wenn Sie also hier warten wollen …«
    »Kann das kein anderer machen?«, fragte ich.
    »Tut mir leid … Anweisung vom DCI.«
    Er schloss die Tür, ich setzte mich und wartete.
     
    Ich muss einfach warten. Und warten …
    Und ich warte.
    Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag … lange Tage und endlose Nächte des Vergessens, des Lebens ohne Ziel, des Wartens auf nichts … worauf soll ich warten? DI Delaney wird mich bald anrufen wegen des DNA-Ergebnisses von dem Stück Gewebe, das man in Stacys Magen gefunden hat. Danach werde ich die Identität des Mannes kennen, der die Liebe meines Lebens vergewaltigt und abgeschlachtet hat, oder auch nicht. Aber selbst wenn der Täter identifiziert ist, selbst wenn er verhaftet, angeklagt, vor Gericht gestellt und verurteilt ist … was macht das für einen Unterschied?
    Was geschehen ist, lässt sich nicht mehr ungeschehen machen.
    Stacy wird immer tot sein.
    Und immer ist eine sehr lange Zeit.
    Wieso also warte ich?
    Worauf warte ich?
    Es ist Freitag, der 27. August, gegen halb elf Uhr abends, und ich sitze im Wohnzimmer, trinke Whisky, versuche, mich in den Schlaf zu trinken. Hier schlafe ich jetzt immer. Seit dem Tag, als es geschehen ist, bin ich nicht mehr im Schlafzimmer gewesen. Ich kann da nicht mehr reingehen. Ich verbringe die Nächte auf dem Sofa, starre in den Fernseher, trinke Whisky – und nehme, was ich an Drogen habe –, bis ich ohnmächtig werde. Und dann wache ich auf und alles fängt wieder von vorn an.
    Heute Nacht bin ich sturzbetrunken. Irgendwo habe ich noch ein paar Gramm Kokain, aber ich will jetzt kein Kokain. Ich will nicht wach sein. Ich will über nichts nachdenken. Ich will nur trinken, trinken und die Bilder im Fernseher anstarren, bis ich nichts mehr erkennen kann …
    Und genau das tue ich, als ich vom Flur her ein leises Geräusch höre, ein leichtes metallisches Klacken. Es klingt, wie wenn die Briefkastenklappe zuklappt, wie das vertraute Geräusch von Post, die eingeworfen wird … aber das kann nicht sein. Nicht jetzt, so spät am Abend. Fast ignoriere ich es, denn ich bin zu betrunken, um mir Gedanken zu machen, ob ich Dinge höre oder nicht, aber dann merke ich, dass ich irgendwie trotzdem auf die Beine komme und hinaus auf den Flur schlurfe … und auf dem Boden hinter der Haustür liegt tatsächlich ein Umschlag. Ein schlichter weißer Umschlag. Ich starre ihn einen Moment an, dann bücke ich mich und hebe ihn auf. Vorn steht in Maschinenschrift mein Name drauf – JOHN CRAINE –, sonst nichts. Keine Adresse, keine Briefmarke.
    Ich öffne die Haustür.
    Es ist niemand zu sehen.
    Ich gehe den Gartenweg vor, öffne das Tor und schaue die Straße rauf und runter.
    Es ist niemand zu sehen.
    Ich gehe zurück ins Haus, ins Wohnzimmer und öffne den Umschlag. Im Umschlag liegt ein einzelnes Blatt schlichtes weißes Briefpapier. Ich nehme es heraus, falte es auseinander und lese die mit Maschine geschriebene Nachricht:
     
    Die aus den Haaren und Gewebeproben in Stacy Craines Magen gewonnene DNA stimmt zu hundert Prozent mit dem DNA-Profil von ANTON VINER überein. Viner wurde 1977 der schweren Vergewaltigung überführt und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. 1985 wurde er entlassen, 1989 wegen erneuten sexuellen Übergriffs wieder verhaftet, doch die Anklage wurde fallen gelassen. Viners derzeitige Adresse lautet: 27 School Lane, Hey, Essex, HE15 9ES. Diese Information wird nicht

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