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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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ihre Augen strahlten, ihr Gesicht leuchtete vor Freude … und für einen kurzen Moment war ich wieder dort … an unserem Hochzeitstag, als wir im sonnengesprenkelten Biergarten des Double Locks saßen und ich das Foto schoss. Ich hatte gerade eine Krone aus Gänseblümchen für Stacy gemacht, und als ich sie ihr auf den Kopf setzte, hatte es so rein und wunderbar gewirkt – hatte sie so rein und wunderbar gewirkt –, dass ich es einfach fotografieren musste …
    »Wie alt war sie da?«, fragte Bridget.
    »Vierundzwanzig«, gab ich zur Antwort. »Sie war drei Jahre älter als ich.«
    »Sie sieht sehr glücklich aus.«
    »Ja …«
    Bridget sah mich an. »Ich fürchte, das macht auch nichts besser, oder?«
    »Was?«
    Sie zuckte die Schultern. »Zu wissen, dass ihr euch beide geliebt habt … die Erinnerungen … all das Schöne. Viel Trost gibt dir das wahrscheinlich nicht.«
    »Nicht wirklich … ehrlich gesagt frage ich mich manchmal, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn wir uns nicht so sehr geliebt hätten. Besser für mich jedenfalls.«
    Bridget schüttelte den Kopf. »Das glaubst du doch nicht im Ernst.«
    »Nein … nein, natürlich nicht.« Ich zündete eine Zigarette an. »Es ist nur … ach, du weißt schon …«
    Sie schüttelte wieder den Kopf. »Ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie du dich gefühlt haben musst. Es muss unerträglich gewesen sein.«
    Ich schlürfte meinen Drink.
    »Wie schafft man das, John?«, fragte Bridget leise. »Wie schafft man es, weiterzuleben, wenn einem so etwas widerfährt?«
    »Keine Ahnung …« Ich zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich lebt man entweder weiter oder nicht … ich hätte es fast nicht geschafft.«
    »Wirklich?«
    Ich nickte. »Nachdem Stacy tot war, machte ich mich selbst etwa ein Jahr lang fix und fertig. Ich … ich konnte einfach nicht damit leben. Ich hab mich ständig betrunken …« Ich betrachtete den Whisky in meinem Glas, dann warf ich Bridget einen Blick zu und lächelte ein wenig. »Ich weiß, ich trinke noch immer zu viel, aber damals hab ich gleich morgens angefangen und dann immer weitergetrunken, bis ich ohnmächtig wurde. Und es war nicht nur der Alkohol. Ich hab jeden Scheiß genommen – Koks, Speed, Gras, Tranquilizer … alles. Eine Weile hab ich sogar Heroin geschnieft. Mir war alles recht. Solange es mich von mir selbst fernhielt … solange es mich von der Wirklichkeit fernhielt, dass Stacy tot war, reichte mir das.« Ich trank einen Schluck. »Ich hab versucht zu vergessen.«
    »Wie hast du es geschafft aufzuhören?«, fragte Bridget.
    »Keine Ahnung, ehrlich … wahrscheinlich hätte ich nie aufgehört, wenn da nicht ein Freund meines Vaters gewesen wäre – Leon Mercer. Leon war nach dem Tod meines Vaters mit mir in Kontakt geblieben, wir kannten uns beide ziemlich gut … was eigentlich verrückt war, denn ich bin mal eine Zeit lang mit seiner Tochter gegangen, mit siebzehn oder achtzehn. Also war er der Vater meiner Freundin gewesen, und normalerweise haben Jungs doch immer Angst vor den Vätern ihrer Freundinnen, oder?«
    »Ja, ich weiß, was du meinst«, sagte Bridget lächelnd. »Mein Dad hat den Freunden, die ich mit nach Hause brachte, immer die Hölle heißgemacht.«
    Ich nickte und nahm noch einen Schluck Whisky. »Egal, Leon hielt jedenfalls ein Auge auf mich, nachdem mein Vater gestorben war, und dann, als Stacy ermordet wurde und ich anfing zu trinken und alles … da war mein Leben total im Arsch. Ich hab meinen Job verloren und weitgehend auch meine Würde, dazu jeden Antrieb, den ich je besessen haben mag … ich verlor so ziemlich alles. Aber Leon hielt die Verbindung, rief an und kam vorbei, mich besuchen. Wahrscheinlich hab ich mich ihm gegenüber wie das letzte beschissene Arschloch benommen, so wie ich mich allen gegenüber beschissen verhalten habe, aber Leon gab nicht nach. Er versuchte nicht, mich zu ändern oder irgendwas, er war nur einfach immer für mich da, passte auf mich auf … sorgte für mich.«
    »Klingt nach einem anständigen Menschen.«
    »Ja, das ist er …«, sagte ich nachdenklich. »Das ist er wirklich. Als er eines Tages ankam und mir einen Job in seiner Detektei anbot, war ich so fertig, dass ich kaum gehen, geschweige denn arbeiten konnte. Und Leon wusste das. Und er wusste auch, dass ich keine Ahnung von Detektivarbeit hatte und sein Angebot wohl sowieso ausschlagen würde – was ich anfangs auch tat –, aber trotzdem machte er es. Und nachdem

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