Schlafende Geister
Versicherungsfall?«
»Hab ich heute Morgen, ja, aber ich glaube, es ist besser, ich lass das jetzt erst mal. Können Sie bei Mercer anrufen und dort Bescheid sagen?«
»Ja, okay. Aber was wollen Sie tun? Die Medien finden doch ruckzuck raus, wo Sie wohnen. Wenn Sie also nicht mit denen reden wollen …«
»Mal schauen, wie ich mich fühle. Vielleicht bleib ich hier, vielleicht auch nicht. Wahrscheinlich werden sie es aber erst im Büro versuchen, deshalb wär es am besten für Sie, Sie ziehen den Telefonstecker raus, schließen das Büro ab und gehen nach Hause. Wenn jemand mit Ihnen Kontakt aufzunehmen versucht, sagen Sie einfach nichts. Und wenn ich Sie dringend sprechen muss, ruf ich Sie übers Handy an, einverstanden?«
»Ja … Was glauben Sie, wie lange das gehen wird, John?«
»Keine Ahnung. Ich hoffe, bis Anfang nächster Woche ist der ganze Spuk vorbei und wir können wieder normal weiterarbeiten. Aber lassen Sie uns mal abwarten, wie es übers Wochenende läuft, ja?«
Ada seufzte. »Ich verstehe das alles nicht, John. Wenn Viner ein Serienmörder ist, was hat er dann die letzten siebzehn Jahre gemacht? Und wieso ist er plötzlich wieder hier und mordet weiter?«
»Keine Ahnung …«
»Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Ich weiß.«
»Außerdem ist es nicht fair … Ihnen gegenüber, meine ich.«
»Nichts ist fair , Ada«, antwortete ich. »Es ist einfach so, wie es ist.«
Ich schenkte mir noch einen Drink ein, stellte den Fernseher an und schaltete auf Sky News. Es lief Werbung, ich stellte auf stumm und ging ins Bad. Als ich zurückkam und mich gerade hinsetzen wollte, klopfte es an der Tür.
»John?«, hörte ich Bridget sagen. »Bist du da?«
Ich stand auf, ging zur Tür und öffnete. Bridget hatte einen Mantel übergezogen und hielt Walters Leine in der Hand. Der Hund saß neben ihr.
»Ich wollte mit ihm eine Runde drehen«, sagte sie. »Hast du Lust mitzukommen?«
»Ich kann gerade nicht.«
»Schon gut«, sagte Bridget eilig. »Ich dachte nur, ich frag.«
»Kannst du mal eine Minute reinkommen?«
Sie sah mich ein, zwei Sekunden an, dann nickte sie. »Ich bring nur schnell Walter wieder –«
»Nein, nimm ihn mit rein«, sagte ich, trat von der Tür zurück und ließ beide durch.
»Sicher?«
»Ja, klar.«
Als ich Bridget ins Wohnzimmer führte, tapste Walter schnurstracks aufs Sofa zu.
»Nein, Walter«, fing Bridget gerade an.
»Ist schon okay«, sagte ich. »Von mir aus darf er.«
Walter kletterte auf das Sofa, seufzte, sank auf dem Polster nieder und machte es sich mit dem Kopf auf den Vorderpfoten bequem. Bridget ging hinüber und setzte sich neben ihn.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie und warf einen Blick auf die Whiskyflasche, während sie Mantel und Mütze auszog.
»Ja …«, sagte ich, schaute zum Fernseher und setzte mich in den Sessel. Der Wetterbericht lief. Ich sah wieder zu Bridget. »Tut mir leid … ich warte auf was … in den Nachrichten. Es könnte auch dich betreffen.«
Sie runzelte die Stirn. »Wovon redest du, John?«
»Tut mir leid«, wiederholte ich und lächelte sie an. »Ich rede ziemlich in Rätseln, was?«
»Kann man sagen, ja.«
»Okay, es geht darum … der Mann, der vorhin da war, Mick Bishop, er ist von der Polizei. Und der Grund –«
»Da ist er«, sagte Bridget plötzlich und zeigte auf den Fernseher. »Das ist er doch, oder?«
Auf dem Bildschirm sah man, wie Bishop und zwei andere Männer auf eine kleine hölzerne Bühne hochstiegen, auf der ein Tisch und drei Stühle aufgebaut waren. Auf dem Tisch standen Mikros, dazu ein Krug mit Wasser und drei Gläser. Auf einer eilig hinter dem Tisch errichteten Leinwand stand: Die Polizei von Essex. Immer da für UNSERE Bürger.
»Was ist los?«, fragte Bridget.
»Entschuldigung«, sagte ich und drehte den Ton lauter. »Ich muss das hören.«
Die drei Männer hatten sich hingesetzt und der in der Mitte fing gerade an zu sprechen. Zuerst stellte er sich selbst vor – Chief Constable Stewart Wright –, dann den Mann zu seiner Linken – Detective Chief Superintendent Gerald James – und schließlich Detective Chief Inspector Bishop, den er als den verantwortlichen Leiter der laufenden Morduntersuchung bezeichnete. Dann übernahm DCS James und erklärte lapidar, dass Anna Gerrish am 6. September als vermisst gemeldet und ihre Leiche am Freitag, den 8. Oktober, bei einem Parkplatz an der Great Hey Road gefunden worden sei.
»Zu diesem Zeitpunkt der Ermittlungen«,
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