Schlafende Geister
ich abgelehnt hatte, sagte er bloß, ich solle darüber nachdenken, und wenn ich meine Meinung ändern würde, solle ich mich melden … Und ein paar Wochen später, als ich innerlich ein bisschen aufgeräumt hatte, änderte ich tatsächlich meine Meinung … und das war’s eigentlich schon. Leon stellte mich ein, nahm mich unter seine Fittiche, brachte mir alles bei, was er von seinem Handwerk verstand, und mit der Zeit fing ich wieder an, eine Art Leben zu leben.«
Bridget nickte. »Und du hast nicht mehr versucht zu vergessen?«
»Meistens nicht.«
Sie warf einen Blick auf den Drink in meiner Hand.
Ich zuckte die Schultern. »Ab und zu habe ich immer noch den Drang, ein bisschen abzutauchen.«
Sie lächelte traurig.
Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar, spürte die Taubheit in meinem Kopf, stellte mir den Schädel unter der Haut vor … dieses augenlose kalte, weiße Gefäß … diese leblose Knochenschale, die über unser Leben wacht und doch für immer den Tod symbolisiert …
Walter stöhnte, reckte die Beine, und als Bridget ihm die Flanke tätschelte, gab er einen kleinen Furz von sich. Bridget lächelte – das Lächeln eines verlegenen Kindes –, und als Walter sich umdrehte und den Hals reckte und leicht verwundert an seinem Hintern schnupperte, musste ich auch grinsen.
»Charmant, was?«, sagte Bridget.
»Yep«, antwortete ich. »Ganz der elegante Herr.«
Sie lachte.
Ich trank noch ein bisschen.
Das Telefon klingelte.
Ich beugte mich nach unten, hob es vom Boden auf, ließ es fallen und hob es wieder auf. »Hallo?«
»Sind Sie Mr Craine?«, fragte eine weibliche Stimme.
»Mit wem spreche ich?«
»John Craine?«
»Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Eileen Banner. Ich bin von der Sun . Ich wollte Sie fragen, ob –«
»Scheiße«, murmelte ich, legte auf und zog den Stecker raus.
»Ist was?«, fragte Bridget.
»Das war eine Reporterin von der Sun «, erklärte ich ihr und nahm mein Handy aus der Tasche, als auch das anfing zu klingeln. Auf dem Display las ich ANRUFER UNBEKANNT , deshalb drückte ich den Anruf weg und schaltete das Handy aus. »Das ist es, was ich vorhin gemeint habe«, sagte ich zu Bridget. »Weißt du … von wegen, es könnte dich betreffen.«
»Tut mir leid«, sagte sie, »ich versteh immer noch nicht.«
»Die Presse, die Fernsehleute … nachdem ihnen Bishop einen Knochen hingeworfen hat, werden sie alle hinter mir her sein wie die Hunde. Ich kann die Telefone abgeschaltet lassen und mich von meinem Büro fernhalten, aber über kurz oder lang werden sie auch hier aufkreuzen. Und wenn ich nicht mit ihnen rede, was ich nicht tun werde, suchen sie sich einfach jemand andern … dich zum Beispiel.«
»Mich?« Bridget runzelte die Stirn. »Aber ich weiß doch gar nichts.«
»Du musst auch nichts wissen . Den Medien ist scheißegal, ob jemand was weiß . Sie brauchen nur etwas, worüber sich reden lässt, worüber sie schreiben können … egal, was es ist.« Ich sah Bridget an. »Wenn sie herkommen und du öffnest die Haustür, werden sie dich mit mir in Verbindung bringen, egal was du sagst oder nicht sagst … und ruckzuck bist du die ›geheimnisvolle Blonde, die jetzt mit dem Mann des Serienmörder-Opfers zusammenlebt‹ und jeder wird alles über dich wissen wollen.«
Bridget zuckte nur die Schultern. »Dann mach ich eben die Tür nicht auf.«
Ich sah sie an – auch wenn es mir inzwischen schwerfiel, den Blick auf sie zu konzentrieren – und überlegte, ob ich sie warnen sollte, dass die Medien ihre Ähnlichkeit mit Stacy aufgreifen könnten. Und während ich noch darüber nachdachte, wurde mir plötzlich klar, dass Bridget nicht nur ungefähr gleich groß war, die gleiche Statur, die gleichen kurzen blonden Haare und blauen Augen wie Stacy hatte, sondern dass sie auch etwa so alt war, wie Stacy jetzt wäre …
»Alles in Ordnung mit dir, John?«, fragte sie.
»Was?«
»Du siehst nicht so aus, als ob es dir gut geht …«
»Ähm, ja …«, murmelte ich. »Ich glaube, ich bin ein bisschen …«
»Betrunken?«
Ich lächelte. »Ja … tut mir leid. War nicht meine Absicht … ich wollte bloß …«
»Ein bisschen abtauchen?«
»Ja, wahrscheinlich … so was in der Art. Aber schau –«
»Schon gut«, sagte sie, stand auf und kam zu mir rüber. »Ich werde nicht an die Tür gehen, wenn jemand klingelt, den ich nicht kenne, ich werde mit niemandem reden und ich werde zusehen, dass keiner Fotos von mir macht. Aber ich werde nicht
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