Schlaflos in Schottland
Bäume. „Sieht leer aus ... Ah! Ich sehe MacLean mit seinem Kutscher vor dem Gasthaus stehen.“ Fragend schaut Nurse Triona an. „Sollen wir das Reh in seinem Versteck aufstöbern?“
Die Sonne war schon fast hinter dem Horizont versunken, und ihre letzten Strahlen warfen lange Schatten. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete Triona die Kutsche. Fast konnte sie Caitlyns Gegenwart spüren.
„Scheint alles sehr ruhig zu sein“, stellte Fletcher fest. „Vielleicht ist Miss Caitlyn noch nicht hervorgekommen.“
„Wir sind immer noch so dicht bei London, dass der Laird sie zurückbringen könnte. Sie würde sich nicht zeigen, bis sie weit genug weg sind.“
Die Nurse schüttelte den Kopf. „Das is’ wirklich schlechtes Benehmen von einer Frau, einen Mann so in die Falle zu locken und ...“
„Sehen Sie!“ Mit einer Kopfbewegung deutete Fletcher hinüber zum Gasthaus. „Sie haben angefangen, die Pferde zu wechseln, Miss. Jetzt werden sie nicht mehr lange bleiben.“
Triona öffnete den Riegel der Tür und sprang hinaus auf den weichen, feuchten Boden. Der Geruch der vermodernden Blätter unter der dünnen Schicht frisch gefallenen Schnees kitzelte sie in der Nase. „Wenn ich nur mit Caitlyn sprechen könnte, während niemand sonst in der Kutsche ist. Es würde mir sicher gelingen, ihr klarzumachen, wie dumm ihr Plan ist.“ Caitlyn war ganz in der Nähe. Sie durfte die Kutsche mit ihrer Schwester darin nicht wegfahren lassen, ohne etwas zu unternehmen. Aber was?
„Ich muss in diese Kutsche gelangen!“
„Auf keinen Fall wirst du so etwas machen!“, schimpfte die alte Kinderfrau.
Auch Flechter schüttelte den Kopf. „Das ist ein gefährlicher Plan, Miss. Sie könnten erwischt werden.“
Triona zuckte mit den Schultern. „MacLean will nichts von Caitlyn. Wenn ich ihm sage, dass sie sich in seiner Kutsche versteckt hat, um ihn dazu zu zwingen, ihr einen Heiratsantrag zu machen, ist er mir sicher dankbar.“
Nachdenklich nahm sie die Karosse in Augenschein. „Wenn ich nicht entschlossen wäre, dafür zu sorgen, dass Caitlyns guter Ruf erhalten bleibt - was bedeutet, dass MacLean nichts von ihrem Plan erfahren darf - würde ich einfach mit ihm reden. So aber muss ich Caitlyn dazu bringen, aus der Kutsche zu steigen, während die Pferde gewechselt werden. Auf diese Weise wird niemand etwas erfahren, und wir können nach London zurückkehren und die Dinge mit meiner Tante in Ordnung bringen.“
„Sie haben vermutlich recht“, räumte Fletcher ein.
„Mir gefällt das nich’!“, fauchte Nurse.
„In Anbetracht der Umstände bleibt uns nichts anderes übrig.“ Triona wandte sich an die Dienstboten. „Ihr bleibt hier. Ich laufe durch das Wäldchen und schleiche mich so dicht an die Kutsche heran, dass ich mit ihr sprechen kann.“ Ein plötzlicher Windstoß brachte ihren Umhang und ihre Röcke zum Flattern. Triona erschauderte.
Nachdem die Kinderfrau und Fletcher besorgte Blicke getauscht hatten, nickten beide widerwillig.
Triona zwang sich zu einem hoffnungsvollen Lächeln. „Dann gehe ich jetzt los. Ihr haltet hier Wache.“ Sie zog den Umhang eng um ihren Körper und lief hinüber zum Gasthaus. Ihr Herz klopfte wie wild. Dafür schuldest du mir etwas, Caitlyn!
3. Kapitel
Die Hursts sind bekannt für ihre ehrlichen Seelen und ihr leidenschaftliches, ungestümes Temperament. Lasst euch gesagt sein, meine Mädchen, genau das und nichts anderes hat die Mitglieder dieser Familie schon auf so manchen Irrweg geführt.
So sprach die alte Heilerin Nora in einer kalten Winternacht zu ihren drei jungen Enkelinnen.
Als Triona den Rand des Wäldchens erreichte, sah sie, dass MacLeans Kutsche soeben zur Tür des Gasthauses gefahren wurde. Die ihr zugewandte Seite des Wagens lag im Schatten.
Sehr gut! So konnte sie zur Kutsche schleichen und hineinschlüpfen, ohne dass jemand etwas bemerkte.
Auf der anderen Seite des Wagens fragte gerade der Kutscher: „Sind Sie sicher, Mylord, dass Sie weiterfahr’n woll’n? Es wird bald schnei’n. Ich kann es schmecken.“
MacLeans Stimme klang kultiviert, obwohl eine leichte schottische Färbung darin mitschwang. „Schmecken? Demnächst sagst du mir noch, du kannst den Schnee auch riechen, bevor er vom Himmel fällt.“
Fast hätte Triona die Augen geschlossen, um die Stimme dieses Mannes zu genießen. Tief und volltönend umhüllte ihr Klang sie wie ein warmer Mantel. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, wie Caitlyn auf diese Stimme reagierte. Ihre
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