Schlaflos in Schottland
den Händen. Aber wenn das so ist, warum entfernt er sich dann immer weiter von London? Wenn er gewusst hatte, dass Caitlyn plante, sich in seiner Kutsche zu verstecken, warum brachte er sie dann nicht möglichst rasch wieder nach Hause? Das würde er doch sicher tun, es sei denn ... Triona blinzelte verwirrt. War das hier etwa gar kein Trick von Caitlyn, sondern eine gemeinsame Flucht? Oder, schlimmer noch, sollte Caitlyn hereingelegt werden? Hatte MacLean vor, sie zu verführen ?
Mit bebender Hand rieb Triona sich die Stirn. Was für ein Durcheinander! Die Kälte drang am Ledervorhang vorbei ins Innere der Kutsche. Es war so kalt, dass Triona fast mit den Zähnen klapperte. Sie schloss den Vorhang und befestigte die Ränder mit den dafür vorgesehenen Ösen, um das bisschen Wärme, das noch vorhanden war, im Inneren des Wagens festzuhalten. Dann öffnete sie den Verschlag unter dem Sitz und holte den Umhang ihrer Schwester hervor, um sich darin einzuhüllen. Das war jedoch bei der rasenden Geschwindigkeit der Kutsche nicht so einfach, und sie fiel auf die andere Bank und verrenkte sich nun auch noch ihr ohnehin schon schmerzendes Knie.
Schließlich klemmte Triona sich in eine Ecke, stützte sich mit einem Fuß am gegenüberliegenden Sitz ab und klammerte sich mit beiden Händen an den Türgriff. Es wurde immer kälter, und leider musste sie feststellen, dass der Umhang ihrer Schwester nicht im Geringsten wärmte. „Typisch Caitlyn, so ein unnützes Kleidungsstück mitzunehmen“, murmelte Triona vor sich hin. Unmutig schleuderte sie den Umhang zu Boden, öffnete die Box unter dem anderen Sitz, zog zwei dicke Decken hervor und hüllte sich dankbar hinein.
Sie dachte über ihre Situation nach und versuchte, dabei die Ruhe zu bewahren. Inzwischen war Nurse wahrscheinlich völlig außer sich. Würden sie und Fletcher versuchen, der Kutsche zu folgen? Nein, Vaters alter Wagen konnte auf keinen Fall so schnell fahren. Die Pferde waren nicht nur älter und schon weit gelaufen, das Gefährt selbst war auch gar nicht für derartige Geschwindigkeiten gebaut.
Zweifellos würde Nurse zu Tante Lavinia zurückkehren und Alarm schlagen. Das hieß, sie würde bald Hilfe bekommen, sie musste nur warten.
Durch ihre Röcke hindurch betastete sie ihr pochendes Knie und runzelte die Stirn. Das Gelenk fühlte sich unnatürlich warm an, und sie spürte, dass es langsam anschwoll. Triona biss die Zähne zusammen, hob vorsichtig das verletzte Bein und legte den Fuß auf den gepolsterten Sitz gegenüber.
Mehr konnte sie im Augenblick nicht tun. Etwas Gutes hatte es jedenfalls, dass die Pferde so angetrieben wurden. Sie würden dieses Tempo nicht lange durchhalten.
Dieser Gedanke beruhigte sie ein wenig. Sobald sie anhielten, um das Gespann zu wechseln, könnte sie MacLean ihre Anwesenheit erklären. Und sobald er feststellte, dass sie nicht Caitlyn war - was bei besserem Licht zweifellos schnell passieren würde -, würde er dafür sorgen, dass sie zurück nach London gebracht wurde. Vielleicht traf sie sogar noch vor der alten Kinderfrau, die in Vaters betagter Kutsche reiste, bei Tante Lavinia ein.
Draußen verblasste das letzte Licht des Tages, und Triona saß in fast völliger Dunkelheit. Sicher halten wir bald an. Wir können dieses Tempo nicht...
Die Kutsche schwenkte abrupt zu einer Seite, Triona wurde durch den Innenraum geschleudert, und ihr verletztes Knie prallte gegen den Rand der Sitzbank. Sie schrie auf, und Tränen traten ihr in die Augen.
Nun hielt der Wagen an. Triona blinzelte ihre Tränen fort und stieß einen erleichterten Seufzer aus, als die Tür geöffnet wurde und Mondlicht ins Innere der Kutsche fiel.
MacLean stieg ein und warf die Tür hinter sich zu, sodass sie wieder von Dunkelheit umgeben war. Sie hörte, dass er seinen Hut neben sie auf die Sitzbank warf, während er sich gegenüber niederließ.
„Es handelt sich um einen Irrtum, Mylord“, setzte Triona zu einer Erklärung an. Die Kutsche fuhr wieder an. „Nein! Warten Sie ..."
Es war zu spät. Sie fuhren weiter und hatten schon bald wieder ihre vorherige Geschwindigkeit erreicht.
Wieder klammerte Triona sich an den Türgriff, während sie MacLeans Silhouette betrachtete, die nur undeutlich zu erkennen war. In der Enge der Kutsche sah er sogar noch größer aus.
Tatsächlich wirkte aus dieser kurzen Entfernung einfach alles an ihm irgendwie ... überwältigend. Er schien das ganze Innere der Kutsche auszufüllen, und seine langen Beine
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