Schlaflos in Schottland
einiger Zeit hatte sie es satt, allein dazusitzen und in der Kutsche hin und her geworfen zu werden. Schlimmer noch, sobald die Landschaft einen schrofferen, wilderen Anblick bot, bekam sie Heimweh. Sie vermisste ihre Brüder und Schwestern. Sie sehnte sich nach dem gemeinsamen Frühstück, bei dem es immer sehr lebhaft zugegangen war, nach den harmlosen Streitereien mit ihren Geschwistern und allem, was sonst noch zu ihrem bisherigen Leben gehört hatte.
Sie ertappte sich auch dabei, dass sie sich Sorgen darüber machte, ob sie sich in Gilmerton Manor wohlfühlen würde. Würde sie dort jemals wie im Pfarrhaus das Gefühl haben, zu Hause zu sein?
Als sie ihr Herz schwer wie einen Stein in der Brust spürte, wünschte sie sich inständig, sie hätte ein Buch mitgenommen, denn sie brauchte unbedingt etwas, um sich abzulenken.
Die ersten zwei Nächte ihrer Reise verbrachten sie in der Kutsche. Sie hielten nur für einige kurze Mahlzeiten und, einmal, für ein wunderbares heißes Bad. Dadurch kamen sie sehr rasch vorwärts, denn sie wechselten regelmäßig die Pferde. Hugh hatte an der Straße nach Schottland in regelmäßigen Abständen seine eigenen Tiere untergebracht.
In der dritten Nacht hinderte sie ein wolkenverhangener Himmel an der Weiterfahrt, und sie hielten bei einem Gasthaus, wofür Triona äußerst dankbar war. Ihr Rücken und ihre Beine taten von der langen Reise weh, und selbst wenn die Kutsche hielt, hatte sie das Gefühl, immer noch hin und her geschüttelt zu werden, so, als würde die Erde sich ununterbrochen unter ihr bewegen. Sie war so erschöpft, dass sie beim Dinner zweimal über ihrem Teller einschlief, und wachte nicht einmal auf, als MacLean sie in ihr gemeinsames Zimmer trug und dort ins Bett legte.
Als sie in der Dunkelheit kurz vor Sonnenaufgang erwachte, spürte sie neben sich immer noch die Wärme seines Körpers, obwohl er bereits aufgestanden war und sich angekleidet hatte. Sobald es hell war, fuhren sie weiter.
Am vierten Tag erreichten sie schließlich kurz nach Einbruch der Dunkelheit Gilmerton Manor. Den ersten Blick auf ihr künftiges Heim erhaschte Triona, als sie um eine Kurve der sich durch die Landschaft schlängelnden Straße bogen. Der Mondschein tauchte das Gemäuer in geisterhaftes Silber.
Das Herrenhaus thronte auf einem baumlosen Hügel. Es war drei Stockwerke hoch und hatte ungezählte Zimmer. Dunkel und bedrohlich schien es im hellen Mondlicht auf sie herabzustarren, und sie erschauderte, als sie bemerkte, dass nur einige wenige Fenster im Erdgeschoss einladend erleuchtet waren.
Vom Pferderücken aus betrachtete Hugh Gilmerton Manor mit vollkommen anderen Gefühlen. Er war zu Hause. Endlich.
Shadow fühlte offensichtlich dasselbe, denn er schlug leicht aus und trabte dann elegant die Auffahrt entlang. Lachend brachte Hugh sein Pferd vor der breiten roten Tür zum Stehen und schwang sich mit einem Gefühl des Stolzes aus dem Sattel. Das Haus war geräumig, solide gebaut und genau so, wie Hugh es mochte: ein stattliches Gebäude mit klassischen, schlichten Linien.
Die Tür schwang auf, und Mrs Wallis, eine hochgewachsene Frau, die die Kleidung und Schürze einer Haushälterin trug, eilte geschäftig aus dem Haus. Ihr folgten die Diener Angus und Liam. Sie trugen Laternen an langen Stangen, um den Säulengang vor der Haustür zu erhellen.
Mrs Wallis runzelte die Stirn. „Oh, Mylord! Wir haben Sie erst frühestens in zwei Wochen erwartet! Wie gut, dass Ihr Schlafzimmer schon vorbereitet ist.“
„Ich hätte rechtzeitig vor meiner Rückkehr eine Nachricht geschickt, aber durch besonders Umstände musste ich meine Anreise vorverlegen.“
Die Kutsche hielt vor dem überdachten Gang an, Ferguson sprang vom Bock und ging sofort zur Wagentür, um Triona beim Aussteigen zu helfen. Mrs Wallis riss erstaunt die Augen auf. Hugh hatte noch nie Gäste mit nach Gilmerton gebracht.
Triona schien Mrs Wallis’ neugierige Blicke nicht zu bemerken. Sie war sehr blass, und ein Teil ihrer Haare hatte sich aus den Nadeln gelöst. Lange Strähnen hingen über ihre Schultern bis auf den Rücken hinunter, aber sie schien es nicht einmal zu bemerken. Ihre Kleidung war zerdrückt, und sie war offensichtlich zu erschöpft, um überhaupt etwas von ihrer Umgebung in sich aufzunehmen. Hugh wurde warm ums Herz. Sie wirkte so abgekämpft und, wie sie da vor dem Haus stand, so klein und zart.
Obwohl sie sich an Fergusons Arm festhielt, geriet sie ein wenig ins Taumeln, als sie den Fuß
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