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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mir schon langsam Sorgen gemacht, alter Freund.«
    »Warum?«, fragte Ralph. »Was ist denn los?«
    »Vielleicht nichts, vielleicht doch etwas. Charlie Pickering ist nun doch auf Kaution freigekommen.«
    »Sie haben mir gesagt, das würde nicht passieren.«
    »Ich habe mich geirrt, okay?«, sagte Leydecker hörbar gereizt. »Und nicht nur in der Beziehung habe ich mich geirrt. Ich habe Ihnen gesagt, der Richter würde die Kaution wahrscheinlich so bei vierzigtausend Dollar festsetzen, wusste aber nicht, dass Pickering Richter Steadman vorgeführt werden würde, der behauptet, dass er nicht einmal an so etwas wie Irrsinn glaubt . Steadman hat die Kaution auf achtzig Riesen festgesetzt. Pickerings Pflichtverteidiger hat geheult wie ein Kalb bei Vollmond, aber das konnte nichts ändern.«
    Ralph sah nach unten und stellte fest, dass er den Teekessel immer noch in der Hand hielt. Er stellte ihn auf den Tisch. »Und trotzdem ist er auf Kaution raus?«
    »Jep. Erinnern Sie sich, dass ich Ihnen gesagt habe, Ed würde ihn wegwerfen wie ein Schälmesser mit gebrochener Klinge?«
    »Ja.«
    »Nun, das können Sie wieder als Fehlwurf für John Leydecker werten. Ed ist heute Vormittag um elf Uhr mit
einem Aktenkoffer voll Geld ins Büro der Justizkasse spaziert.«
    »Achttausend Dollar?«, fragte Ralph.
    »Ich sagte Aktenkoffer, nicht Briefumschlag«, antwortete Leydecker. »Nicht acht, sondern achtzig. Im Gerichtsgebäude sind sie immer noch ganz aus dem Häuschen. Verdammt, sie werden noch aus dem Häuschen sein, wenn der Weihnachtsschmuck abgehängt wird.«
    Ralph versuchte, sich Ed Deepneau in seinen weiten alten Pullovern und einem Paar zerschlissener Cordhosen vorzustellen - Eds »Verrückter-Wissenschaftler-Kostüm«, hatte Carolyn dazu immer gesagt -, wie er gebündelte Stapel Zwanziger und Fünfziger aus dem Aktenkoffer zog, konnte es aber nicht. »Hatten Sie nicht gesagt, dass zehn Prozent ausreichen, um freizukommen?«
    »So ist es, wenn man etwas Wertvolles hinterlegen kann - ein Haus oder irgendwas anderes, das einem gehört, zum Beispiel -, das in etwa die Gesamtsumme abdeckt. Offenbar konnte Ed das nicht, aber er hatte etwas Erspartes für schlechte Zeiten unter der Matratze. Entweder das, oder er hat der Zahnfee verdammt gut einen geblasen.«
    Ralph musste an den Brief denken, den er von Helen bekommen hatte, nachdem sie gerade eine Woche aus dem Krankenhaus entlassen und nach High Ridge gezogen war. Sie erwähnte, dass sie einen Scheck von Ed bekommen hatte - siebenhundertfünfzig Dollar. Anscheinend ist er sich seiner Verantwortung bewusst, hatte sie geschrieben. Ralph fragte sich, ob Helen immer noch so denken würde, wenn sie wüsste, dass Ed mit einer Summe ins Gerichtsgebäude von Derry spaziert war, die ausgereicht hätte, seine Tochter durch die ersten fünfzehn Jahre
ihres Lebens zu bringen … damit er einen Wahnsinnigen freibekommen konnte, der gern mit Messern und Molotowcocktails spielte.
    » Woher, in Gottes Namen, hat er es?«, fragte er Leydecker.
    »Keine Ahnung.«
    »Und er muss es auch nicht sagen?«
    »Nee. Wir leben in einem freien Land. Soweit ich weiß, hat er gesagt, er hätte ein paar Aktien zu Geld gemacht.«
    Ralph dachte an die alten Zeiten zurück - die guten alten Zeiten, bevor Carolyn krank geworden und gestorben und Ed nur krank geworden war. Er dachte an die gemeinsamen Mahlzeiten, die sie etwa alle zwei Wochen einmal zu viert eingenommen hatten, Pizza zum Mitnehmen bei den Deepneaus oder auch Carols Hühnerterrine in der Küche der Roberts’, und er erinnerte sich, wie Ed einmal versprochen hatte, er würde sie alle zu Prime Ribs ins Red Lion in Bangor einladen, wenn seine Aktien Dividenden abwarfen. Ganz recht, hatte Helen geantwortet und Ed verliebt angesehen. Damals war sie schwanger gewesen, was man ihr gerade erst ansah, und mit dem zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebundenen Haar und dem Umstandskleid, das immer noch Nummern zu groß für sie gewesen war, hatte sie wie vierzehn ausgesehen. Was meinst du, welche zuerst Dividende bringen? Die zweitausend Anteile von United Fußschmerz oder die sechstausend Vereinigte Sauertöpfe? Und er hatte sie angeknurrt, ein Knurren, bei dem sie alle lachen mussten, weil Ed Deepneau kein bisschen Gemeinheit in sich hatte; wer Ed länger als vierzehn Tage kannte, der wusste, dass er keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Aber Helen hatte es vielleicht
ein bisschen besser gewusst - schon damals hatte sie es vielleicht ein bisschen besser

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