Schlaflos - Insomnia
vielleicht auch nur eine Hoffnung, die sich als Eingebung verkleidete -, dass Doc Nr. 3 ihr nicht nach Ludlow folgen konnte, dass er möglicherweise nicht einmal imstande war, ihr durch die Barrens zur East Side zu folgen.
Das kannst du nicht wissen, Ralph.
Vielleicht nicht, aber es schien zu stimmen, und er war immer noch davon überzeugt, dass Fühlen und Wissen in der Welt der Auren weitgehend identisch waren. Eines wusste er mit Sicherheit, dass Doc Nr. 3 Lois’ Ballonschnur noch nicht durchgeschnitten hatte; die hatte Ralph mit eigenen Augen gesehen, ebenso wie das erfreulich gesunde graue Leuchten ihrer Aura. Aber Ralph wurde die wachsende Gewissheit nicht los, dass Doc Nr. 3 - der Irre Doc - die Absicht hatte , sie durchzuschneiden, und dass, so lebendig Rosalie auch ausgesehen haben mochte, als sie aus dem Strawford-Park getrottet war, das Durchtrennen dieser Schnur ein tödlicher, mörderischer Akt gewesen war.
Nehmen wir an, du hast recht, Ralph; nehmen wir an, er kann ihr heute Nachmittag nichts tun, wenn sie drüben in Ludlow Nickel-and-Dime-Poker spielt. Was ist mit heute Abend? Morgen? Nächste Woche? Wie sieht die Lösung aus? Soll sie ihren Sohn und das Biest von einer Schwiegertochter anrufen und ihnen sagen, sie hat es sich anders überlegt, sie möchte doch nach Riverview Estates ziehen?
Er wusste es nicht. Aber er wusste, er brauchte Zeit zum Nachdenken, und er wusste auch, konstruktives Denken würde ihm schwerfallen, wenn er keine Gewissheit hatte, dass Lois zumindest vorläufig in Sicherheit sein würde.
»Ralph? Du bekommst wieder diesen schmudigen Ausdruck.«
» Was für einen Ausdruck?«
»Schmudig.« Sie warf das Haar anmutig zurück. »Das ist ein Wort, das ich erfunden habe, um zu beschreiben, wie Mr. Chasse aussah, wenn er so tat, als würde er mir zuhören, in Wirklichkeit aber an seine Münzsammlung gedacht hat. Ich erkenne einen schmudigen Gesichtsausdruck, wenn ich einen sehe, Ralph. Woran hast du gedacht?«
»Ich habe mich gefragt, wann du von deinem Kartenspiel zurückkehren würdest.«
»Kommt drauf an.«
»Worauf?«
»Ob wir noch auf ein Schokofrappé bei Tubby’s einkehren oder nicht.« Sie sagte es mit der Miene einer Frau, die ein heimliches Laster gesteht.
»Angenommen ihr kommt gleich zurück.«
»Sieben Uhr. Vielleicht halb acht.«
»Ruf mich an, sobald du zu Hause bist. Würdest du das tun?«
»Ja. Du möchtest , dass ich die Stadt verlasse, richtig? Das hat dieser schmudige Ausdruck in Wirklichkeit bedeutet.«
»Nun …«
»Du glaubst, dass mir dieses hässliche, kahlköpfige Ding etwas antun will, richtig?«
»Ich halte es für möglich.«
»Es könnte dir auch etwas antun!«
»Ja, aber …«
Aber soweit ich es beurteilen kann, Lois, trägt er keines von meinen modischen Accessoires.
»Aber was? «
»Mir wird nichts zustoßen, bis du zurück bist, das ist alles.« Er erinnerte sich an ihre abfällige Bemerkung über moderne Männer, die einander umarmten und plärrten, und bemühte sich um ein gebieterisches Stirnrunzeln. »Geh Kartenspielen und überlass diese Sache mir, zumindest vorerst. Das ist ein Befehl.«
Carolyn hätte entweder gelacht oder wäre wütend über dieses komische Macho-Gehabe geworden. Lois, die einer völlig anderen Schule weiblichen Denkens angehörte, nickte nur und schien dankbar zu sein, dass ihr die Entscheidung aus den Händen genommen worden war. »Also gut.« Sie drückte sein Kinn nach unten, damit sie ihm direkt in die Augen sehen konnte. »Weißt du, was du tust, Ralph?«
»Nee. Jedenfalls noch nicht.«
»Nun gut. Solange du es wenigstens zugibst.« Sie legte ihm eine Hand auf den Unterarm und hauchte ihm mit geöffneten Lippen einen sanften Kuss auf den Mundwinkel. Ralph verspürte ein höchst willkommenes warmes Prickeln in den Lenden. »Ich fahre nach Ludlow und gewinne fünf Dollar von diesen albernen Frauen, die immer versuchen, ihren Straight vollzubekommen. Heute Abend reden wir darüber, was wir als Nächstes tun. Okay?«
»Ja.«
Ihr zaghaftes Lächeln - mehr mit den Augen als mit dem Mund - deutete an, dass sie ein wenig mehr tun könnten, als nur reden, wenn Ralph tollkühn genug wäre … und in diesem Augenblick fühlte er sich wahrhaftig tollkühn. Nicht einmal der strenge Blick von Mr. Chasse auf dem Fernseher konnte an diesem Gefühl etwas ändern.
Kapitel 14
1
Es war Viertel nach vier, als Ralph die Straße überquerte und die kurze Strecke bergauf zu seinem Haus ging. Erneut überkam
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