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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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genau kartografiert.‹ Ist das nicht poetisch, Mr. Robbins?«
    »Ja. Und ich heiße Roberts , Ms. Polhurst. Würden Sie Bill bitte sagen, dass Ralph Roberts angerufen hat und ihn bittet zurückzu…«
    »Also haben wir alles abgeschaltet, und ich war bereit - gewappnet, könnte man wohl sagen -, aber er ist nicht gestorben. Das verstehe ich einfach nicht. Er ist bereit, ich bin bereit, sein Lebenswerk ist vollbracht … also warum stirbt er nicht?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Der Tod ist ziemlich blöd«, sagte sie mit der nörgelnden und unschönen Stimme, wie sie nur die sehr Müden und Schwermütigen zustande bringen. »Ein Geburtshelfer, der einem Baby so langsam die Nabelschnur durchschneidet, würde wegen Unfähigkeit gefeuert werden.«
    Neuerdings schweiften Ralphs Gedanken gern ab, aber diesmal wurde er ruckartig zurückgeholt. »Was haben Sie gesagt?«
    »Wie bitte?« Sie klang verblüfft, als wären ihre eigenen Gedanken abgeschweift.
    »Sie haben etwas gesagt, von wegen die Schnur durchschneiden.«
    »Das hatte nichts zu bedeuten «, sagte sie. Der nörgelnde Tonfall war stärker herauszuhören … aber es war
kein Nörgeln, wurde Ralph jetzt klar, es war ein Wimmern, und es klang ängstlich. Da stimmte etwas nicht. Sein Herz schlug plötzlich schneller. »Es hatte überhaupt nichts zu bedeuten«, beharrte sie, und plötzlich nahm der Telefonhörer in Ralphs Hand eine tiefe und bedrohliche Blaufärbung an.
    Sie hat daran gedacht, ihn zu töten, und zwar nicht nur so - sie hat tatsächlich daran gedacht, ihm ein Kissen aufs Gesicht zu drücken und ihn damit zu ersticken. »Es würde nicht lange dauern«, denkt sie. »Ein Gnadenakt«, denkt sie. »Endlich überstanden«, denkt sie.
    Ralph hielt den Hörer vom Ohr weg. Blaues Licht, kalt wie der Februarhimmel, drang in bleistiftdünnen Strahlen aus den Löchern der Hörmuschel.
    Mord ist blau, dachte Ralph, hielt den Hörer auf Armeslänge von sich und sah, von ungläubiger Fassungslosigkeit erfüllt, wie die blauen Strahlen sich krümmten und zu Boden tropften. Er konnte ganz leise die plappernde, ängstliche Stimme von Denise Polhurst hören. Das ist nichts, was ich je wissen wollte, aber ich schätze, nun weiß ich es doch: Mord ist blau.
    Er hielt den Apparat wieder an den Mund, aber so, dass die obere Hälfte mit der Last der eiszapfenblauen Aura von seinem Kopf wegzeigte. Er fürchtete, ihre kalte, erboste Verzweiflung würde ihn taub machen, wenn er den Hörer zu nahe ans Ohr hielt.
    »Sagen Sie Bill, dass Ralph angerufen hat«, sagte er. » Roberts, nicht Robbins.« Er legte auf, ohne auf ihre Antwort zu warten. Die blauen Strahlen am Hörer brachen ab und fielen torkelnd zu Boden. Ralph musste wieder an Eiszapfen denken; diesmal, wie sie ordentlich in einer Reihe
herunterfielen, wenn man nach einem warmen Wintertag mit dem Fäustling an der Unterseite eines Simses entlangstrich. Sie lösten sich auf, bevor sie auf dem Linoleum landeten. Er sah sich um. Nichts in dem Raum leuchtete, flackerte oder vibrierte. Die Auren waren wieder fort. Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, und dann hatte draußen auf der Harris Avenue ein Auto eine Fehlzündung.
    In dem einsamen Apartment im zweiten Stock stieß Ralph Roberts einen Schrei aus.

4
    Er wollte keinen Tee mehr, hatte aber immer noch Durst. Er fand eine halbe Flasche Pepsi Light - abgestanden, aber flüssig - hinten im Kühlschrank, goss es in einen Plastikbecher mit dem verblassten Symbol des Red Apple und nahm es mit nach draußen. Er ertrug es nicht mehr, in dem Apartment zu sein, das nach unglücklichem Wachsein zu riechen schien. Besonders nicht nach dem Zwischenfall mit dem Telefon.
    Der Tag war, sofern dies überhaupt möglich war, noch schöner geworden; ein starker, milder Wind war aufgekommen, rollte Bänder aus Licht und Schatten über das westliche Derry und kämmte das Laub von den Bäumen. Der Wind wehte es wie orangefarbene, rote und gelbe heulende Derwische über die Bürgersteige.
    Ralph wandte sich nach links, aber nicht, weil er den bewussten Wunsch verspürte, das Picknickgelände beim Flughafen wiederzusehen, sondern weil er den Wind im
Rücken haben wollte. Dennoch betrat er zehn Minuten später wieder die kleine Lichtung. Diesmal fand er sie verlassen vor, was ihn nicht überraschte. Der aufgekommene Wind war keineswegs schneidend, sodass alte Männer und Frauen aufspringen und in den Häusern Schutz suchen würden, aber es war Schwerstarbeit, Karten auf den Tischen oder

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