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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nicht.«
    »Als ich siebzehn war«, sagte sie, »heuerte meine Mutter einen Jungen aus der Straße an - Richard Henderson war sein Name -, um ein paar Haus- und Gartenarbeiten für uns zu erledigen. Sie hätte eine Menge Jungs einstellen können, aber sie entschied sich für Richie, weil sie ihn mochte … und sie hätte ihn gern für mich gehabt, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Selbstverständlich verstehe ich. Sie hat dich verkuppeln wollen.«
    »Hmhm, aber wenigstens hat sie es nicht auf eine auffällige, grausame oder peinliche Weise getan. Gott sei Dank, denn mir lag nicht das Geringste an Richie - jedenfalls nicht so. Trotzdem hat sich Mutter größte Mühe gegeben. Wenn ich am Küchentisch saß und lernte, ließ sie ihn die Holzkiste auffüllen, obwohl es Mai und schon ziemlich warm war. Wenn ich die Hühner fütterte, ließ sie Richie die Hecken neben dem Hof schneiden. Sie wollte, dass ich ihn sehe … mich an ihn gewöhne … und wenn wir die Gesellschaft des anderen genossen hätten und er mich zum Tanzen aufgefordert oder zum Jahrmarkt eingeladen hätte, wäre ihr das recht gewesen. Es war ein sanfter Stoß, aber er war da. Und so ist es hier.«

    »Mir kommen diese Stöße ganz und gar nicht sanft vor«, sagte Ralph. Unwillkürlich griff er mit der Hand an die Stelle, wo Charlie Pickering ihn mit der Messerspitze gepikt hatte.
    »Nein, natürlich nicht. Wenn einem jemand ein Messer so zwischen die Rippen bohrt, muss das schrecklich sein. Gott sei Dank hast du diese Spraydose dabeigehabt. Glaubst du, der alte Dor kann die Auren auch sehen? Dass ihm etwas aus dieser Welt gesagt hat, er soll dir die Spraydose in die Jackentasche tun?«
    Ralph zuckte hilflos die Achseln. Was sie andeutete, war ihm auch schon durch den Kopf gegangen, aber wenn man eingehender darüber nachdachte, kippte einem wirklich der Boden unter den Füßen weg. Denn wenn Dorrance es getan hatte, bedeutete das, dass irgendeine
    (Wesenheit)
    höhere Macht oder ein Wesen gewusst haben musste, dass Ralph Hilfe brauchen würde. Und das war noch nicht alles. Diese Macht - oder das Wesen - hätte ebenfalls wissen müssen, dass a) Ralph am Sonntagnachmittag ausgehen würde, b) das Wetter, das bis dahin schön gewesen war, sich so verschlechtern würde, dass er eine Jacke brauchte, und c) welche Jacke er anziehen würde. Mit anderen Worten, es handelte sich um etwas, was die Zukunft vorhersagen konnte. Die Vorstellung, dass er einer solchen Macht aufgefallen sein könnte, jagte ihm offen gestanden eine Heidenangst ein. Ihm war klar, dass die Intervention ihm zumindest im Fall der Spraydose wahrscheinlich das Leben gerettet hatte, aber trotzdem jagte ihm der Gedanke eine Heidenangst ein.

    »Möglich«, sagte er. »Vielleicht hat etwas Dorrance als Botenjungen benutzt. Aber warum?«
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte sie.
    Ralph konnte nur den Kopf schütteln.
    Sie sah auf die Uhr zwischen dem Bild des Mannes im Waschbärmantel und der jungen Frau, die bereit schien, jederzeit Twenty-three skidoo zu sagen, dann griff sie zum Telefon. »Fast halb vier! Meine Güte!«
    Ralph berührte ihre Hand. »Wen rufst du an?«
    »Simone Castonguay. Ich hatte vorgehabt, heute Nachmittag mit ihr und Mina nach Ludlow zu fahren - im Grange findet ein Kartenspiel statt -, aber nach alledem kann ich nicht gehen. Ich würde mein letztes Hemd verlieren.« Sie lachte, dann errötete sie reizend. »Nur so eine Redensart.«
    Ralph legte die Hand auf ihre, bevor sie den Hörer abnehmen konnte. »Geh zu deinem Kartenspiel, Lois.«
    »Wirklich?« Sie sah zweifelnd und ein wenig enttäuscht aus.
    »Ja.« Er hatte immer noch keine Ahnung, was hier vor sich ging, aber er spürte, dass sich das ändern würde. Lois hatte davon gesprochen, gestoßen zu werden, aber Ralph kam es eher vor, als würde er getragen werden, so wie ein Fluss einen Mann in einem kleinen Boot trägt. Aber er konnte nicht sehen, wohin er unterwegs war; dichter Nebel verbarg das Ufer, und während die Strömung stärker wurde, konnte er weiter vorn das Tosen von Stromschnellen hören.
    Aber da sind Umrisse, Ralph. Umrisse im Nebel.
    Ja. Aber keine besonders beruhigenden. Möglicherweise waren es Bäume, die nur wie zupackende Hände aussahen …
aber andererseits konnten es auch zupackende Hände sein, die sich als Bäume tarnten. Daher gefiel ihm der Gedanke, dass Lois nicht in der Stadt war, bis er herausgefunden hatte, was nun davon zutraf, ausgesprochen gut. Eine Eingebung sagte ihm -

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