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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Spielende einen Dollar vorn oder ein bisschen Kleingeld hinten. Zwar gab es einige gute Spieler und einige Flaschen (Lois zählte sich zu Ersteren), aber hauptsächlich ging es nur darum, einen heiteren Nachmittag zu verbringen - die Damenversion der Schachturniere und Gin-Rommé-Marathons, wie sie die Altsemester pflegten.
    »Aber heute Nachmittag konnte ich einfach nicht verlieren. Ich hätte eigentlich völlig pleite nach Hause kommen müssen, wo mich alle ständig fragten, was für Vitamine ich zu mir nähme und wo ich mir das Gesicht hätte liften lassen und dergleichen. Wer kann sich auf ein albernes Pokerspiel wie Deuces and Jacks, Man with the Axe, Natural Sevens Take All konzentrieren, wenn man ständig
neue Lügen erzählen und darauf achten muss, dass man sich nicht in die verstrickt, die man bereits erzählt hat?«
    »Muss schwer gewesen sein«, sagte Ralph und bemühte sich, nicht zu grinsen.
    »Das war es. Sehr schwer! Aber statt zu verlieren, habe ich immer mehr eingesackt. Und weißt du, warum, Ralph?«
    Er wusste es, schüttelte aber den Kopf, damit sie es ihm sagen konnte. Er hörte ihr gern zu.
    »Wegen ihrer Auren. Ich wusste nicht immer genau, welche Karten sie hatten, aber meistens schon. Und selbst wenn ich es nicht wusste, hatte ich eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie gut ihr Blatt aussah. Die Auren waren nicht immer da, du weißt ja, sie kommen und gehen, aber selbst wenn sie nicht da waren, spielte ich besser als jemals vorher in meinem Leben. In der letzten Stunde verlor ich absichtlich, damit sie mich nicht alle hassten . Und weißt du was? Selbst absichtlich zu verlieren ist mir schwergefallen.« Sie betrachtete ihre Hände, die sie nervös im Schoß knetete. »Und auf dem Rückweg habe ich etwas getan, wofür ich mich schäme.«
    Ralph sah ihre Aura wieder, ein vager grauer Geist, in dem ungeformte dunkelblaue Klumpen schwebten. »Bevor du es mir erzählst«, sagte er, »hör dir das an und sag mir, ob es dir bekannt vorkommt.«
    Er schilderte ihr, wie Mrs. Perrine vorbeigekommen war, als er auf der Veranda saß, Bohnen und Würstchen aus dem Topf aß und darauf wartete, dass Lois zurückkam. Als er ihr erzählte, was er der alten Frau angetan hatte, senkte er den Blick und spürte, wie seine Ohren wieder warm wurden.

    »Ja«, sagte sie, als er geendet hatte. »Dasselbe habe ich getan … aber ich wollte es nicht, Ralph … jedenfalls glaube ich nicht, dass ich es wollte. Ich saß mit Mina auf dem Rücksitz, und sie hörte nicht mehr auf damit, wie verändert ich aussähe, wie jung ich aussähe, und ich dachte mir - ich schäme mich, es laut auszusprechen, aber ich sollte es wohl besser -, ich dachte mir: ›Ich stopf dir das Maul, du neugierige, neidische alte Eule. Denn es war Neid, Ralph. Ich sah es ihrer Aura an. Große, spitze Dornen in der Farbe von Katzenaugen. Kein Wunder, dass man Eifersucht das Ungeheuer mit den grünen Augen nennt!‹ Wie dem auch sei, ich deutete zum Fenster hinaus und sagte: ›Oh, Mina, ist das nicht ein entzückendes kleines Häuschen?‹ Und als sie sich umdrehte und hinausschaute, da habe ich … habe ich getan, was du getan hast, Ralph. Nur habe ich nicht die Hand zum Trichter geformt, ich habe einfach nur die Lippen geschürzt … etwa so …« Sie führte es vor und machte einen derartigen Kussmund, dass Ralph sich veranlasst (fast genötigt) sah, sich den Ausdruck zunutze zu machen. »… und ich atmete eine große Wolke ihrer Aura ein.«
    »Was ist passiert?«, fragte Ralph fasziniert und ängstlich.
    Lois lachte bedrückt. »Mit mir oder ihr?«
    »Mit euch beiden.«
    »Mina zuckte zusammen und schlug sich in den Nacken. ›Da sitzt ein Käfer auf mir!‹«, sagte sie. ›Er hat mich gebissen! Nimm ihn weg, Lo! Bitte nimm ihn weg!‹ Selbstverständlich saß kein Käfer auf ihr - ich war der Käfer -, aber ich strich ihr trotzdem über den Hals, machte das Fenster auf und sagte ihr, er wäre dort, er wäre weggeflogen.
Sie kann von Glück sagen, dass ich ihr nicht das Gehirn rausgehauen habe, statt nur über ihren Nacken zu streichen - so voller Pep war ich. Mir war, als hätte ich die Autotür aufreißen und den ganzen Weg nach Hause laufen können.«
    Ralph nickte.
    »Es war wunderbar … zu wunderbar. Wie in den Geschichten über Drogen, die man im Fernsehen sieht, wie sie einen zuerst in den Himmel bringen und dann in die Hölle. Was ist, wenn wir damit anfangen und nicht mehr aufhören können?«
    »Ja«, sagte Ralph. »Und wenn es den

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