Schlaflos - Insomnia
nickte. »Ja. Nicht gerade toll, aber einigermaßen. Mach dir um mich keine Sorgen.«
Aber ich mache mir Sorgen, Lois, dachte Ralph. Jede Menge. Und übrigens, hast du gesehen wie Doc Nr. 3 Joe Wyzer den Kamm aus der Tasche genommen hat?
Das war eine dumme Frage. Natürlich hatte sie es gesehen. Der kahle Gnom hatte gewollt , dass sie es sah. Er wollte, dass sie es beide sahen. Die wichtige Frage war, wie viel Bedeutung hatte sie dem beigemessen?
Wie viel weißt du wirklich, Lois? Wie viele Zusammenhänge hast du hergestellt? Das frage ich mich, denn eigentlich sind sie nicht so schwer zu erkennen. Ich frage mich … aber ich habe Angst davor, dich danach zu fragen.
Ein flaches Backsteingebäude lag etwa eine Viertelmeile entfernt an dem Zubringer - WomanCare. Einige Scheinwerfer (neu aufgestellt, das wusste er mit Gewissheit) warfen Lichtfächer auf den Rasen, und Ralph konnte zwei Männer mit grotesk langen Schatten davor auf und ab marschieren sehen … Wachpersonal, vermutete er. Eine weitere neue Falte, ein weiterer Strohhalm, der im bösen Wind wehte.
Er bog nach links ab (diesmal dachte er endlich an den Blinker) und fuhr mit dem Olds vorsichtig die Rampe zum Parkhaus des Hospitals hinauf. Oben versperrte eine orangefarbene
Schranke den Weg. BITTE HALTEN UND PARKSCHEIN ZIEHEN stand auf einem Schild daneben. Ralph konnte sich noch an die Zeit erinnern, da richtige Menschen an solchen Orten gesessen hatten, was sie ein bisschen weniger unheimlich machte. Those were the days, my friend, we thought they’d never end, dachte er, als er die Scheibe hinunterkurbelte und einen Parkschein aus dem automatischen Spender zog.
»Ralph?«
»Hm?« Er konzentrierte sich darauf, den Heckstoßstangen eines der auf beiden Seiten der Fahrspur schräg parkenden Autos auszuweichen. Er wusste, die Durchfahrt war so breit, dass die Stoßstangen der anderen Autos kein Hindernis für ihn sein würden - auf Vernunftsebene wusste er das -, aber in seinem Innersten wusste er es besser. Carolyn würde Zeter und Mordio wegen meiner Fahrweise schreien, dachte er mit einer gewissen geistesabwesenden Zuneigung.
» Weißt du, was wir hier wollen, oder tappst du im Dunkeln?«
»Einen Moment noch - lass mich erst die verdammte Karre parken.«
Er fuhr auf der ersten Etage an mehreren Parklücken vorbei, die groß genug für den Olds gewesen wären, aber keine davon bot ihm so viel Freiraum zum Manövrieren, dass er sich wohl in seiner Haut gefühlt hätte. Auf dem dritten Parkdeck fand er drei freie Plätze nebeneinander (zusammen genommen hätte darauf bequem ein Sherman Panzer Platz gehabt) und lotste den Olds in die mittlere Lücke. Er machte den Motor aus und drehte sich zu Lois um. Andere Motoren brummten über und unter ihnen,
aber aufgrund der Echos konnte man ihren Standort unmöglich bestimmen. Orangefarbenes Licht - das durchdringende, grelle Leuchten, das heutzutage sämtlichen derartigen Anlagen gemeinsam war, wie es schien - überzog ihre Haut wie eine dünne Schicht toxischer Farbe. Lois erwiderte seinen Blick gelassen. Er sah die Spuren der Tränen, die sie wegen Rosalie vergossen hatte, an den aufgedunsenen, geschwollenen Lidern, aber die Augen selbst schauten ihn ruhig und fest an. Er registrierte erstaunt, wie sehr sie sich seit heute Morgen verändert hatte, als er sie weinend und mit hängenden Schultern auf der Parkbank antraf. Lois, dachte er, wenn dein Sohn und deine Schwiegertochter dich heute Abend sehen könnten, würden sie, glaube ich, aus voller Lunge schreiend davonlaufen. Aber nicht, weil du zum Fürchten aussiehst, sondern weil die Frau, die sie bedrängen wollten, ins Riverview Estates zu ziehen, nicht mehr da ist.
»Nun?«, fragte sie mit dem Anflug eines Lächelns. »Wirst du mit mir reden oder mich nur ansehen?«
Ralph, normalerweise ein zurückhaltender Mann, sagte verwegenerweise das Erste, das ihm in den Sinn kam: »Ich glaube, ich möchte dich am liebsten schlecken wie ein Eis.«
Ihr Lächeln vertiefte sich so sehr, dass Grübchen an den Mundwinkeln sichtbar wurden. »Vielleicht versuchen wir später herauszufinden, wie groß dein Appetit auf Eis wirklich ist, Ralph. Im Augenblick solltest du mir nur sagen, weshalb du mich hierher gebracht hast. Und sag mir nicht, dass du es nicht weißt, das stimmt nämlich nicht.«
Ralph schloss die Augen, holte tief Luft und schlug sie wieder auf. »Wir sind hier, um die beiden anderen Glatzköpfe
zu finden. Die ich aus dem Haus von May Locher kommen
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