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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gesehen habe. Wenn jemand erklären kann, was hier vor sich geht, dann sie.«
    »Wie kommst du darauf, dass du sie hier finden wirst?«
    »Ich glaube, sie haben Arbeit hier … zwei Männer, Jimmy V. und Bills Freund, liegen nebeneinander im Sterben. Ich hätte schon in dem Augenblick, als ich sah, wie die Notärzte Mrs. Locher zugedeckt auf der Bahre aus dem Haus brachten, wissen müssen, was die kahlköpfigen Ärzte sind - was sie tun . Ich hätte es gewusst, wenn ich nicht so verdammt müde gewesen wäre. Die Schere wäre Beweis genug gewesen. Stattdessen bin ich erst heute Nachmittag darauf gekommen, und das auch nur wegen etwas, was Mr. Polhursts Nichte zu mir gesagt hat.«
    »Und das wäre?«
    »Dass der Tod blöd ist. Wenn ein Geburtshelfer so viel Zeit brauchen würde, um eine Nabelschnur durchzuschneiden, würde er wegen Unfähigkeit gefeuert werden. Dabei musste ich an einen Mythos denken, den ich in der Grundschule gelesen habe, als ich nicht genug von Göttern und Göttinnen und trojanischen Pferden bekommen konnte. Die Geschichte handelte von drei Schwestern - möglicherweise den griechischen Schwestern, möglicherweise auch den unheimlichen Schwestern. Scheiße, frag mich nicht; ich vergesse ja meistens sogar, den verfluchten Blinker zu setzen. Wie dem auch sei, diese drei Schwestern waren für den Verlauf des gesamten Lebens aller Menschen verantwortlich. Eine spann den Faden, eine entschied, wie lang er sein würde … klingelt da was bei dir, Lois?«

    »Aber natürlich!«, rief sie fast. »Die Ballonschnüre!«
    Ralph nickte. »Ja. Die Ballonschnüre. An die Namen der beiden ersten Schwestern kann ich mich nicht erinnern, aber den Namen der dritten habe ich nie vergessen - er lautet Atropos, und der Geschichte zufolge, besteht ihre Aufgabe darin, den Faden abzuschneiden, den die erste spinnt und die zweite bemisst. Man konnte mit ihr streiten, man konnte sie anflehen, das alles änderte nichts. Wenn sie beschloss, dass es Zeit wurde, ihn abzuschneiden, dann schnitt sie ihn ab.«
    Lois nickte. »Ja, ich erinnere mich an die Geschichte. Ich weiß nicht, ob ich sie gelesen habe oder ob sie mir jemand in meiner Kindheit erzählt hat. Du glaubst, dass sie wirklich wahr ist, Ralph, nicht wahr? Nur haben wir es, statt mit den unheimlichen Schwestern, mit den kahlköpfigen Brüdern zu tun.«
    »Ja und nein. Soweit ich mich erinnern kann, standen die Schwestern alle auf derselben Seite - ein Team. Das ist auch der Eindruck, den ich bei den beiden Männern hatte, die aus Mrs. Lochers Haus gekommen sind, dass sie seit langer Zeit Partner sind und enormen Respekt voreinander empfinden. Aber der andere Kerl, den wir heute Abend wiedergesehen haben, ist nicht wie sie. Ich glaube, Doc Nr. 3 ist ein Schurke.«
    Lois erschauerte, eine theatralische Geste, die erst im letzten Augenblick echt wurde. »Er ist schrecklich, Ralph. Ich hasse ihn.«
    »Kann ich dir nicht verdenken.«
    Er streckte die Hand zum Türgriff aus, aber Lois hielt ihn mit einer Berührung zurück. »Ich habe gesehen, wie er etwas getan hat.«

    Ralph drehte sich um und sah sie an. Die Sehnen in seinem Hals ächzten eingerostet. Er wusste ziemlich genau, was sie sagen würde.
    »Er hat dem Mann, der Rosalie überfahren hat, etwas aus der Tasche genommen«, sagte sie. »Als er neben ihr auf der Straße kniete, hat der Kahlkopf ihm etwas aus der Tasche gestohlen. Aber er nahm nur einen Kamm. Und der Hut, den der Kahlköpfige getragen hat … ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihn kenne.«
    Ralph sah sie weiterhin unverwandt an und hoffte inbrünstig, dass Lois’ Erinnerung an die Habseligkeiten von Doc Nr. 3 nicht weiter reichte.
    »Es war Bills Hut, nicht? Bills Panama.«
    Ralph nickte. »Das war er.«
    Lois machte die Augen zu. »O Gott.«
    »Was sagst du, Lois? Bist du noch dabei?«
    »Ja.« Sie machte ihre Tür auf und schwang die Beine hinaus. »Aber lass uns gleich gehen, bevor ich den Mut verliere.«
    »Das sagst du ausgerechnet mir«, antwortete Ralph Roberts.

3
    Während sie sich dem Haupttor des Derry Home näherten, beugte sich Ralph zu Lois’ Ohr und murmelte: »Spürst du es auch?«
    »Ja.« Ihre Augen waren weit aufgerissen. »Herrgott, ja. Diesmal ist es stark nicht?«
    Als sie durch die elektronische Lichtschranke gingen und die Tür des Krankenhauses vor ihnen aufschwang, schälte
sich die Oberfläche der Welt plötzlich ab und offenbarte eine andere Welt, die vor unsichtbaren Farben überquoll und von unsichtbaren Formen

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