Schlaflos - Insomnia
äußersten Wert auf Etikette legt, dachte er, und direkt im Anschluss daran erinnerte er sich, dass die beiden jungen Damen am Zelteingang einmal in ihre Richtung geschnuppert und sie höflich, aber bestimmt abgewiesen hatten. Er und Jimmy V. hatten den Abend daraufhin in einer Spelunke in Central Falls verbracht, soweit er sich erinnerte, und konnten sich wahrscheinlich glücklich schätzen, dass sie nicht überfahren worden waren, als sie nach der Sperrstunde hinaustorkelten.
»Sir?«, fragte die Frau hinter dem verglasten Schalter ungeduldig. »Kann ich Ihnen helfen? «
Ralph wurde mit einem Poltern in die Gegenwart zurückgeholt, das er fast spüren konnte. »Ja, Ma’am. Meine Frau und ich würden gern Jimmy Vandermeer im dritten Stock besuchen, wenn …«
»Das ist die Intensivstation!«, bellte sie. »Ohne Sonderausweis dürfen Sie nicht in die Intensivstation.« Orangefarbene Haken bohrten sich aus dem Leuchten um ihren Kopf, und ihre Aura sah wie Stacheldraht um ein geisterhaftes Niemandsland herum aus.
»Ich weiß«, sagte Ralph unterwürfiger denn je, »aber mein Freund Lafayette Chapin hat gesagt …«
»Herrje!«, unterbrach ihn die Frau. »Wunderbar, dass jeder einen Freund hat. Wirklich wunderbar .« Sie warf in gespielter Verzweiflung einen Blick zur Decke.
»Faye hat gesagt, dass Jimmy trotzdem Besucher empfangen darf. Sehen Sie, er hat Krebs und nicht mehr lange zu 1 …«
»Ich sehe in den Unterlagen nach«, sagte die Frau im verdrossenen Tonfall von jemandem, der weiß, dass er sich vergeblich die Mühe macht, »aber der Computer ist heute Abend ziemlich langsam, daher wird es eine Weile dauern. Nennen Sie mir Ihren Namen, dann können Sie und Ihre Frau da drüben Platz nehmen. Ich rufe Sie auf, sobald …«
Ralph war der Meinung, dass er genug vor diesem bürokratischen Wachhund zu Kreuze gekrochen war. Schließlich wollte er kein Ausreisevisum aus Albanien; ein gottverdammter Besucherausweis für die Intensivstation genügte ja schon.
Unter der Glasplatte des Schalters befand sich ein Schlitz. Ralph streckte die Hand durch und ergriff das Handgelenk der Frau, bevor sie es wegziehen konnte. Er spürte das schmerzlose aber sehr deutliche Gefühl, wie die orangefarbenen Haken direkt durch sein Fleisch fuhren, ohne einen Halt zu finden. Ralph drückte sanft und verspürte ein geringes Quantum Kraft - nicht größer als ein Schrotkügelchen, wenn er es hätte sehen können -, das von ihm auf die Frau überging. Plötzlich nahm die aufdringliche orangefarbene Aura um ihren linken Arm und die Seite herum den blassen Türkiston von Ralphs Aura an. Sie keuchte und ruckte auf ihrem Stuhl nach vorn, als hätte ihr gerade jemand einen Pappbecher voll Eiswürfel hinten in den Kragen ihrer Dienstuniform gekippt.
[»Vergessen Sie den Computer. Geben Sie mir bitte einfach zwei Ausweise. Sofort.«]
»Ja, Sir«, sagte sie augenblicklich, worauf Ralph ihr Handgelenk losließ, damit sie unter den Schreibtisch greifen konnte. Das türkisfarbene Leuchten um ihren Arm herum wurde wieder orange; die Farbveränderung breitete sich von der Schulter am Arm entlang aus.
Aber ich hätte sie ganz blau machen können, dachte Ralph. Sie übernehmen können. Sie durch den Raum tanzen lassen wie ein aufgezogenes Spielzeug.
Plötzlich fiel ihm ein, wie Ed das Evangelium nach Matthäus zitiert hatte - Da Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen worden war, ward er sehr zornig - und eine Mischung aus Angst und Scham erfüllte ihn. Auch musste er wieder an Vampirismus denken, und ein Text aus einem alten Pogo-Comic fiel ihm ein: Wir haben den Feind getroffen, und wir sind es selbst. Ja, wahrscheinlich
hätte er mit diesem schlecht gelaunten Frauenzimmer in der orangefarbenen Aura alles anstellen können, was er wollte; seine Batterie war vollgeladen. Das Problem war nur, der Saft in dieser Batterie - und in der von Lois - war gestohlen.
Als die Dame am Informationsschalter die Hand wieder unter dem Schreibtisch hervorholte, hielt sie zwei laminierte rosa Plaketten mit der Aufschrift INTENSIVSTATION /BESUCHER darin. »Hier bitte, Sir«, sagte sie mit einer höflichen Stimme, die in krassem Gegensatz zu dem Feldwebelton stand, mit dem sie ihn zuerst angesprochen hatte. »Genießen Sie Ihren Besuch und herzlichen Dank für Ihre Geduld.«
»Ich danke Ihnen «, sagte Ralph. Er nahm die beiden Plaketten und ergriff Lois’ Hand. »Komm mit, Liebling. Wir müssen
[»Ralph, was hast du mit ihr
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