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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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»Ich wünschte mir nur, die Leute müssten nicht immer so … so heftig reagieren.«
    Davenport grunzte, ging zum Schaufenster seines Nachbarn und betrachtete das Plakat mit dem unechten Steckbrief. Während er es studierte, erschien ein großer, blasser Mann mit Ziegenbärtchen - das absolute Gegenteil des Marlboro-Manns, hätte Ralph gesagt - aus den dunklen Tiefen des Secondhand Rose wie ein Vaudevillegespenst, das ein bisschen schimmlig an den Rändern geworden ist. Er sah, was Davenport studierte, worauf ein knappes, verächtliches Lächeln seine Mundwinkel kräuselte. Ralph fand, es war die Art von Lächeln, die einen Mann ein paar Zähne oder eine gebrochene Nase kosten konnte. Besonders bei so einer Affenhitze wie heute.
    Davenport deutete auf das Plakat und schüttelte heftig den Kopf.
    Daltons Lächeln wurde breiter. Er winkte zu Davenport - Gibt irgendjemand auch nur einen Scheißdreck darauf, was du denkst?, sagte die Geste - und verschwand wieder in den Tiefen seines Ladens.
    Davenport kam zu Ralph zurück, und rote Flecken brannten auf seinen Wangen. »Das Bild dieses Mannes müsste im Lexikon direkt neben Arsch abgebildet sein«, sagte er.

    Genau das, was er von dir denkt, könnte ich mir vorstellen, dachte Ralph, sagte es aber selbstverständlich nicht.
    Davenport blieb vor dem Büchereiwagen mit den Taschenbüchern stehen, steckte die Hände unter der roten Schürze in die Taschen und betrachtete grübelnd das Plakat von
    (hey hey)
    Susan Day.
    »Nun«, sagte Ralph, »ich sollte lieber wieder …«
    Davenport riss sich aus seinen Gedanken. »Geh noch nicht«, sagte er. »Unterschreib zuerst meine Petition, ja? Das würde meinen Morgen wieder etwas verschönern.«
    Ralph trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Normalerweise lasse ich mich nicht in Konfrontationen wie diese hineinziehen …«
    »Komm schon, Ralph«, sagte Davenport mit einer Seienwir-doch-vernünftig-Stimme. »Es geht hier doch nicht um Konfrontationen; es geht darum, sicherzustellen, dass solche Früchtchen und armen Irren wie die von Daily Bread - und politische Neandertaler wie Dalton - nicht ein wirklich nützliches Frauenzentrum dichtmachen können. Ich verlange ja nicht von dir, dass du Versuche mit chemischen Kampfstoffen an Delfinen unterstützt.«
    »Nein«, sagte Ralph. »Vermutlich nicht.«
    »Wir hoffen, dass wir bis zum ersten September fünftausend Unterschriften an Susan Day schicken können. Wird wahrscheinlich nichts nutzen - Derry ist nichts weiter als ein Fliegenschiss auf der Landkarte, und wahrscheinlich ist sie bis ins nächste Jahrhundert ausgebucht -, aber ein Versuch kann nicht schaden.«

    Ralph überlegte sich, ob er Ham sagen sollte, dass die einzige Petition, die er unterschreiben wollte, eine an die Götter des Schlafs wäre, um sie zu bitten, ihm die drei Stunden Ruhe in der Nacht wiederzugeben, die sie ihm gestohlen hatten, aber dann sah er dem Mann ins Gesicht und beschloss, es bleiben zu lassen.
    Carolyn hätte seine verdammte Petition unterschrieben, dachte er. Sie hat Abtreibung nicht gutgeheißen, aber sie hat es auch nicht gutgeheißen, dass Männer nach Hause kommen, wenn die Bars schließen, und ihre Frauen und Kinder mit Fußbällen verwechseln.
    Das war sicher richtig, aber es wäre nicht der Hauptgrund dafür gewesen, zu unterschreiben; sie hätte es wegen der vagen Möglichkeit getan, eine echte Meinungsmacherin wie Susan Day persönlich und aus der Nähe zu sehen. Sie hätte es aus der tief verwurzelten Neugier getan, die wahrscheinlich ihr offenkundigster Charakterzug gewesen war - etwas so Starkes, dass nicht einmal der Hirntumor es hatte abtöten können. Zwei Tage vor ihrem Tod hatte sie die Kinokarte, die er als Lesezeichen benutzte, aus dem Taschenbuch gezogen, das er auf ihrem Nachttisch hatte liegen lassen, weil sie wissen wollte, in welchem Film er gewesen war. Es war Eine Frage der Ehre gewesen, und er war erstaunt und betroffen, wie sehr ihm die Erinnerung daran wehtat. Selbst heute tat sie noch höllisch weh.
    »Klar«, sagte er zu Ham. »Ich unterschreibe mit Vergnügen.«
    »Mein Freund!«, rief Davenport und schlug ihm auf die Schulter. Der düstere Gesichtsausdruck wich einem Grinsen, aber Ralph fand, dass die Veränderung nicht
unbedingt zum Besseren war. »Komm in meine Lasterhöhle!«
    Ralph folgte ihm in den Laden, der nach Tabak roch und um halb zehn Uhr morgens nicht besonders lasterhaft wirkte. Winston Smith floh vor ihnen und blieb nur einmal stehen, um sie

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