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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vorbei, Lois - setz dich eine Weile zu uns.«
    »Vielleicht mach ich das«, sagte sie, und Ralph ging die Harris Avenue entlang, spürte den Blick ihrer bemerkenswerten Augen im Rücken und gab sich große Mühe, ihn gerade zu halten. Er dachte, dass es ihm ziemlich gut gelang, aber es war Schwerstarbeit. Er hatte sich in seinem ganzen Leben noch nie so müde gefühlt.

Kapitel 2

1
    Ralph vereinbarte keine Stunde nach seiner Unterhaltung mit Lois auf der Parkbank einen Termin mit Dr. Litchfield; die Arzthelferin mit der kühlen, sexy Stimme sagte ihm, sie könnte ihn am nächsten Dienstagvormittag um zehn dazwischenschieben, ob es ihm recht wäre, und Ralph sagte ihr, das passe wunderbar. Dann legte er auf, ging in sein Wohnzimmer, setzte sich in den Ohrensessel mit Blick auf die Harris Avenue und dachte daran, wie Dr. Litchfield den Gehirntumor seiner Frau anfangs mit Tylenol-3 und Broschüren über verschiedene Entspannungstechniken behandelt hatte. Dann ging er weiter zum Ausdruck in Litchfields Augen, als die Magnetresonanztomographietests die bösen Nachrichten der CT-Scans bestätigt hatten … den Ausdruck von Schuldbewusstsein und Unbehagen.
    Auf der anderen Straßenseite kamen ein paar Kinder, die bald wieder in der Schule sein würden, mit Schokoriegeln und Slurpie-Slush-Eisgetränken aus dem Red Apple. Während Ralph ihnen zusah, wie sie auf ihre Fahrräder stiegen und in der grellen Elf-Uhr-Hitze davonfuhren, dachte er, was er immer dachte, wenn die Erinnerung an Dr. Litchfields Augen an die Oberfläche kam: dass es höchstwahrscheinlich eine falsche Erinnerung war.

    Es ist so, alter Freund, du wolltest , dass Litchfield unbehaglich aussieht … aber noch mehr wolltest du, dass er schuldbewusst aussieht.
    Wahrscheinlich traf das zu, wahrscheinlich war Carl Litchfield eine Seele von Mensch und ein super Arzt, aber Ralph rief trotzdem eine halbe Stunde später wieder in Litchfields Praxis an. Er sagte der Arzthelferin mit der sexy Stimme, dass er gerade in seinen Terminkalender gesehen und festgestellt hätte, dass ihm nächsten Dienstag um zehn doch nicht so gut passen würde. Er hätte an dem Tag einen Termin bei der Fußpflege, den er vollkommen vergessen hätte.
    »Mein Gedächtnis ist nicht mehr, was es einmal war«, sagte Ralph zu ihr.
    Die Arzthelferin schlug nächsten Donnerstag um zwei vor.
    Ralph entgegnete, er würde zurückrufen.
    Lügen haben kurze Beine, dachte er, als er den Hörer auflegte, langsam zum Sessel zurückging und sich darauf niederließ. Du bist fertig mit ihm, oder nicht?
    Er ging davon aus. Nicht dass Dr. Litchfield deswegen schlaflose Nächte haben würde; wenn er überhaupt an Ralph dachte, dann als einen alten Tattergreis weniger, der ihm bei der Prostata-Untersuchung ins Gesicht furzte.
    Na gut, und was willst du gegen die Schlaflosigkeit tun, Ralph?
    »Eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen still dasitzen und klassische Musik hören«, sagte er laut. »Und ein paar Depend-Windeln kaufen für die leidigen Rufe der Natur.«
    Er war selbst erstaunt, dass er bei dieser Vorstellung laut lachen musste. Das Lachen hatte einen hysterischen
Unterton, der ihm nicht besonders gefiel - er war sogar verdammt unheimlich -, aber es dauerte trotzdem eine Weile, bis er wieder aufhören konnte.
    Und doch vermutete er, dass er Hamilton Davenports Vorschlag, so wie die meisten Hausmittel, die ihm wohlmeinende Zeitgenossen anvertraut hatten, ausprobieren würde (aber auf die Windeln würde er verzichten, herzlichen Dank). Dabei musste er an sein erstes Bona-fide -Hausmittel denken, und das bewirkte ein neuerliches Grinsen.
    Es war McGoverns Idee gewesen. Als Ralph eines Abends mit Nudeln und Spaghettisoße aus dem Red Apple zurückkam, hatte er auf der Veranda gesessen, seinen Nachbarn vom Stock über sich angesehen und kopfschüttelnd Tss-tss gemacht.
    »Was soll das heißen?«, fragte Ralph und setzte sich neben ihn. Ein Stück weiter die Straße hinunter war ein kleines Mädchen in Jeans und einem zu großen weißen T-Shirt in der zunehmenden Düsternis singend seilgesprungen.
    »Es heißt, dass du übernächtigt, hohlwangig und verstümmelt aussiehst«, sagte McGovern. Er schob den Panamahut auf dem Kopf mit dem Daumen zurück und sah Ralph eingehend an. »Immer noch keinen Schlaf?«
    »Immer noch keinen Schlaf«, stimmte Ralph zu.
    McGovern schwieg ein paar Augenblicke. Als er wieder sprach, geschah es in einem Tonfall absoluter - sogar beinahe apokalyptischer - Endgültigkeit. »Die

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