Schlaflos - Insomnia
und - zumindest vorübergehend - die goldgesprenkelte grüne Tönung von Klotho und Lachesis angenommen hatte.
Lois ergriff Klothos Hand, sog über den Zähnen scharf und hörbar die Luft ein, dann lächelte sie zaghaft.
Klotho: [Schließt den Kreis, Ralph und Lois. Habt keine Angst. Alles ist gut.]
Mann, da bin ich aber entschieden anderer Ansicht, dachte Ralph, aber als Lois nach seiner Hand griff, nahm er ihre Finger. Zu dem Geruch von Äpfeln und der Beschaffenheit von trockener Rinde gesellte sich ein dunkles und unbekanntes Gewürz. Ralph sog das Aroma in vollen Zügen ein und lächelte Lois zu. Sie lächelte ebenfalls - ohne zu zögern -, und Ralph verspürte eine tief greifende, distanzierte Verwirrung. Wie konntest du Angst haben? Wie konntest du auch nur zögern, wo das, was sie brachten, doch so gut und richtig zu sein scheint?
Ich fühle mit dir, Ralph, aber du solltest trotzdem zögern, riet ihm eine Stimme.
[»Ralph? Ralph!«]
Sie hörte sich erschrocken und überschwänglich zugleich an, Ralph drehte gerade noch rechtzeitig den Kopf, um zu sehen, dass der obere Rand der Tür von Zimmer 315 an ihrer Schulter vorbeisank … nur schwebte die Tür nicht nach unten; Lois schwebte nach oben. Alle schwebten nach oben, während sie weiter mit den Händen einen Kreis bildeten.
Das war Ralph gerade klar geworden, als eine vorübergehende Dunkelheit, scharf wie eine Messerklinge, durch sein Gesichtsfeld glitt wie der Schatten einer Jalousie. Er sah ganz kurz dünne Röhren, die wahrscheinlich zum Sprinklersystem des Krankenhauses gehörten, umgeben von flauschigen rosa Polstern der Isolierung. Dann sah er einen langen, gekachelten Flur entlang. Eine Bahre rollte direkt auf seinen Kopf zu … der, wie ihm plötzlich bewusst wurde, wie ein Periskop in einen der Flure des vierten Stocks ragte.
Er hörte Lois aufschreien und spürte, wie sie seine Hand fester umklammerte. Ralph machte instinktiv die Augen zu und wartete darauf, dass die heranbrausende Bahre ihm den Kopf platt walzen würde.
Klotho: [Bleibt ruhig! Bitte, bleibt ruhig! Vergesst nicht, dass dies alles auf einer anderen Realitätsebene geschieht als der, auf der ihr euch derzeit befindet!]
Ralph schlug die Augen auf. Die Bahre war verschwunden, aber er konnte ihre sich entfernenden Räder noch hören. Das Geräusch kam jetzt von hinter ihm. Die Bahre war, wie McGoverns Freund, einfach durch ihn hindurchgegangen. Sie stiegen alle vier langsam in einen Flur hinauf, der offenbar zur Kinderstation gehörte - Märchenwesen tänzelten und tollten an den Wänden herum, Figuren aus Disneys Aladin und Die kleine Meerjungfrau waren auf die Fenster eines großen, hell erleuchteten Spielzimmers geklebt worden. Ein Arzt und eine Schwester, die sich über einen Patienten unterhielten, kamen auf sie zu.
»… weiteren Tests scheinen angebracht, aber nur wenn wir zu mindestens neunzig Prozent sicherstellen können, dass …« Der Arzt ging durch Ralph hindurch, und dabei erfuhr Ralph, dass der Mann nach fünf Jahren Abstinenz vor Kurzem erst wieder heimlich zu rauchen angefangen hatte und deswegen schreckliche Schuldgefühle empfand. Dann waren sie fort. Ralph sah nach unten und bekam gerade noch mit, wie seine Füße aus dem Fliesenboden herauskamen. Er drehte sich zu Lois um und lächelte zaghaft.
[»Klassen besser als der Fahrstuhl, was?«]
Sie nickte. Seine Hand hielt sie aber nach wie vor ziemlich fest.
Sie stiegen durch den fünften Stock, kamen im sechsten in einem Ärztezimmer heraus (zwei Ärzte - von der voll ausgewachsenen Art - waren anwesend, einer sah sich eine alte Wiederholung von F Troop an, der andere schnarchte auf einem grässlichen Sofa im Swedish Modern Stil), und dann befanden sie sich auf dem Dach.
Die Nacht war klar, mondlos und atemberaubend. Sterne funkelten am Himmelszelt wie eine extravagante, nebelhafte Lichterkette. Der Wind wehte heftig, und er dachte an Mrs. Perrine, die sagte, dass der Altweibersommer vorüber sei, das könnte er ihr glauben. Ralph konnte den Wind hören, spürte ihn aber nicht … aber er hatte eine Ahnung, als könnte er ihn spüren, wenn er wollte. Es kam nur darauf an, sich auf die richtige Weise zu konzentrieren …
Noch während er diesen Gedanken hatte, verspürte er eine unbedeutende, vorübergehende Veränderung in seinem Körper, so etwas wie ein Blinzeln. Plötzlich wurde ihm das Haar an der Stirn nach hinten geweht, und er konnte seine Hosen um die Schienbeine flattern hören. Er
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