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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dunklem, rußigem Stein, der inmitten eines Felds roter Rosen stand. Schießschartenähnliche Fenster zogen sich wie eine düstere Spirale an den Seiten entlang.
    Dann verschwand das Bild.
    [Du und Lois und alle anderen kurzfristigen Geschöpfe leben auf den beiden ersten Etagen dieses Gebäudes. Selbstverständlich gibt es Aufzüge …]
    Nein, dachte Ralph. Nicht in dem Turm, den ich in deinen Gedanken gesehen habe, mein kleiner Freund. In diesem Gebäude - wenn dieses Gebäude tatsächlich existiert - gibt es keine Fahrstühle, nur eine schmale, mit Spinnweben verhangene Treppe und Türen, die Gott weiß wohin führen.
    Lachesis sah ihn mit einer seltsamen, fast misstrauischen Neugier an, und Ralph überlegte sich, dass ihm dieser Blick nicht gefiel. Er wandte sich wieder an Klotho und bedeutete ihm, er möge fortfahren.
    Klotho: [Wie ich schon sagte, es existieren Fahrstühle, aber unter normalen Umständen ist es Kurzfristigen nicht gestattet, sie zu benutzen. Ihr seid nicht
    [bereit] [dafür gerüstet] [- - - - - - - - -.]
    Die letzte Erklärung war eindeutig die beste, aber sie tänzelte vor Ralph davon, bevor er sie greifen konnte. Er sah Lois an, die den Kopf schüttelte, und dann wieder zu Klotho und Lachesis. Er wurde allmählich wütender denn je. Die vielen langen, endlosen Nächte, die er in seinem Ohrensessel gesessen und auf die Dämmerung gewartet hatte; all die Tage, an denen er sich wie ein Gespenst in seiner eigenen Haut gefühlt hatte; die Unfähigkeit, einen
Satz zu begreifen, wenn er ihn nicht dreimal las; die Telefonnummern, die er einst auswendig kannte, aber jetzt nachschlagen musste …
    Da fiel ihm etwas ein, das gleichzeitig die Wut zusammenfasste und rechtfertigte, die er empfand, als er die beiden kahlköpfigen Kreaturen mit den dunklen, goldenen Augen und den fast blendend grellen Auren ansah. Er sah, wie er in den Hängeschrank über dem Küchentresen sah und nach der Instantsuppe suchte, während sein übermüdeter Verstand darauf beharrte, dass sie irgendwo da drinnen sein musste. Er sah, wie er danach stöberte, innehielt, weitersuchte. Er sah seinen Gesichtsausdruck - einen Ausdruck zerstreuter Verwirrung, den man ohne Schwierigkeit als leichten Fall geistiger Behinderung hätte deuten können, der aber nichts weiter als schlichte Erschöpfung war. Dann sah er, wie er die Hände sinken ließ und einfach nur dastand, als würde er darauf warten, dass das Päckchen von allein herausgesprungen kam.
    Erst jetzt, in diesem Augenblick, angesichts dieser Erinnerung, wurde ihm bewusst, wie schrecklich die letzten Monate gewesen waren. Zurückblickend waren sie, als sähe er in ein wüstes Land, das in trostlose Braun- und Grautöne getaucht war.
    [»Sie haben uns also zu dem Fahrstuhl gebracht … vielleicht war das aber auch nicht gut genug für unsresgleichen, und Sie haben uns einfach nur die Feuerleiter hinaufbugsiert. Und haben uns Stück für Stück daran gewöhnt, damit uns nicht die Tassen aus dem Schrank fallen, könnte ich mir denken. Und das war leicht. Sie mussten uns ja nur um den Schlaf bringen, bis wir halb verrückt waren. Lois’ Sohn und Schwiegertochter wollen sie
in einen Freizeitpark für alte Menschen einweisen lassen, haben Sie das gewusst? Und mein Freund Bill McGovern findet, dass ich reif für Juniper Hill bin. Und derweil habt ihr kleinen Engel …«]
    Klotho ließ eine Andeutung seines vorherigen Lächelns erkennen.
    [Wir sind keine Engel, Ralph.]
    [»Ralph, bitte, schrei sie nicht an.«]
    Ja, er hatte geschrien, und zumindest ein Teil schien bis zu Faye durchgedrungen zu sein; er hatte das Schachbuch zugeklappt, bohrte nicht mehr in der Nase, saß kerzengerade auf seinem Stuhl und sah sich nervös in dem Zimmer um.
    Ralph sah von Klotho (der einen Schritt zurückwich und den Rest seines Lächelns verlor) zu Lachesis.
    [»Ihr Freund sagt, ihr wärt keine Engel. Und wo sind sie dann? Spielen sie sechs oder acht Stockwerke weiter oben Poker? Und ich vermute, Gott sitzt im Penthouse, und der Teufel schaufelt Kohlen im Heizungskeller.«]
    Keine Antwort. Klotho und Lachesis sahen sich zweifelnd an. Lois zupfte an Ralphs Ärmel, aber er beachtete sie nicht.
    [»Also, Jungs, was sollen wir tun? Eure kleine kahlköpfige Version von Hannibal Lecter aufspüren und ihm das Skalpell wegnehmen? Nun, ihr könnt mich mal.«]
    Ralph hätte auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre hinausgegangen (er hatte eine Menge Filme gesehen und wusste, wie man einen guten Abgang inszenierte),

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