Schlaflos - Insomnia
wissen nicht, warum sie wollen, dass wir das tun. Das ist der Teil, der mir Angst macht.«
»Wir haben die Möglichkeit, zweitausend Menschenleben zu retten«, sagte sie. »Willst du mir sagen, das ist Grund genug für uns, aber nicht für sie?«
»Das will ich damit sagen. Ich glaube nicht, dass Zahlen diese Burschen besonders beeindrucken; sie servieren uns nicht zu Zehnen oder Hunderten oder Tausenden ab, sondern zu Millionen. Und sie sind daran gewöhnt, dass der Plan und der Zufall uns routinemäßig massenweise abmurksen.«
»Katastrophen wie der Brand im Cocoanut Grove«, sagte Lois. »Oder die Überschwemmung hier in Derry vor acht Jahren.«
»Ja, aber auch das sind nur relativ kleine Fische, verglichen mit dem, was jedes Jahr in der Welt vor sich geht. Bei der Überschwemmung hier in Derry 1985 gab es über
zweihundert Tote und Verletzte, aber letztes Frühjahr starben bei einer Überschwemmung in Pakistan dreieinhalbtausend, und beim letzten großen Erdbeben in der Türkei über viertausend. Und was ist mit dem Kernreaktorunfall in Russland? Ich habe irgendwo gelesen, dass man letztlich siebzigtausend Tote darauf zurückführen kann. Das sind eine Menge Panamahüte und Springseile und … Brillen, Lois.« Er war entsetzt, weil ihm beinahe Ohrringe herausgerutscht wäre.
»Nicht«, sagte sie erschauernd.
»Ich denke ebenso ungern darüber nach wie du«, sagte er, »aber wir müssen es tun, und sei es nur, weil die beiden Typen so verdammt erpicht darauf waren, uns davon abzuhalten. Verstehst du, worauf ich hinauswill? Du musst. Große Tragödien sind von jeher Bestandteil des Zufalls gewesen; warum sollte es hier anders sein?«
»Ich weiß nicht«, sagte Lois, »aber es war wichtig genug für sie, uns zu rekrutieren, und ich denke, das war ein ziemlich großer Schritt.«
Ralph nickte. Jetzt konnte er spüren, wie das Koffein wirkte, ihn aufputschte und seine Finger ein bisschen zum Zittern brachte. »Da bin ich mir ganz sicher. Aber jetzt denk mal an das Krankenhausdach zurück. Hast du jemals in deinem Leben zwei Typen so viel erklären hören, ohne tatsächlich etwas zu erklären?«
»Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte Lois, aber ihr Gesicht drückte etwas anderes aus: dass sie nicht verstehen wollte, was er meinte.
»Was ich meine, basiert auf einer grundsätzlichen Annahme: Möglicherweise können sie nicht lügen. Gehen wir davon aus, sie können es nicht. Wenn du bestimmte Informationen
hast, die du nicht preisgeben willst, aber keine Lüge erzählen kannst, was tust du dann?«
»Von der Gefahrenzone wegtänzeln«, sagte Lois. »Oder den Gefahren zonen .«
»Bingo. Und haben Sie nicht genau das getan?«
»Nun«, sagte sie, »ich schätze, es war ein Tanz, aber ich finde, du hast über weite Strecken geführt, Ralph. Ich war sogar ziemlich beeindruckt von den vielen Fragen, die du gestellt hast. Ich glaube, solange wir auf dem Dach waren, habe ich die meiste Zeit nur versucht, mich davon zu überzeugen, dass das alles tatsächlich passierte.«
»Gewiss, ich habe eine Menge Fragen gestellt, aber …« Er verstummte, weil er sich nicht sicher war, wie er das Konzept in Worte fassen sollte, das ihm durch den Kopf ging, ein Konzept, das ihm komplex und kinderleicht zugleich vorkam. Er unternahm noch einmal einen Versuch, ein wenig aufzusteigen, und suchte in seinem Kopf nach diesem Gefühl des Blinzelns , weil er wusste, wenn er auf geistiger Ebene mit ihr Kontakt aufnehmen konnte, könnte er ihr ein kristallklares Bild zeigen. Nichts geschah, und er trommelte frustriert mit den Fingerspitzen auf dem Tischtuch.
»Ich war nicht weniger verblüfft als du«, sagte er schließlich. »Wenn sich mein Erstaunen in Form von Fragen ausgedrückt hat, dann nur deshalb, weil man Männern - jedenfalls denen meiner Generation - beigebracht hat, dass es einen ziemlich schlechten Eindruck macht, wenn man dasteht und Ooh und Aah sagt. Das ist etwas für Frauen, die die Vorhänge aussuchen.«
»Sexist.« Sie lächelte, als sie es sagte, aber es war ein Lächeln, das Ralph nicht erwidern konnte. Er musste an
Barbie Richards zurückdenken. Wäre Ralph auf sie zugegangen, hätte sie mit Sicherheit den Alarmknopf unter ihrem Schreibtisch gedrückt, aber Lois hatte sie näherkommen lassen, weil sie ein wenig zu viel von dem alten Wir-sind-Schwestern-Mist geschluckt hatte.
»Ja«, sagte er leise. »Ich bin ein Sexist, ich bin altmodisch, und manchmal bringt mich das in Schwierigkeiten.«
»Ralph, ich
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