Schlaflos - Insomnia
wollte nicht …«
»Ich weiß, was du wolltest, und es ist in Ordnung. Ich versuche dir zu vermitteln, dass ich überwältigt war … vollkommen von den Socken … genau wie du. Daher habe ich Fragen gestellt, na und? Waren es gute Fragen? Nützliche Fragen?«
»Wahrscheinlich nicht, hm?«
»Nun, vielleicht hatte ich gar keinen schlechten Start. Soweit ich mich erinnere, habe ich, als wir auf dem Dach waren, als Erstes gefragt, wer sie waren und was sie wollten. Diese Fragen haben sie mit einer Menge philosophischem Geschwafel umgangen, aber ich denke, eine Weile sind sie doch ganz schön ins Schwitzen gekommen. Danach bekamen wir die ganzen Hintergrundinformationen über den Plan und den Zufall - faszinierend, aber eigentlich hätten wir es nicht gebraucht, um nach High Ridge zu fahren und Gretchen Tillbury davon zu überzeugen, dass sie Susan Days Rede absagt. Verdammt, es wäre besser gewesen - zeitsparender -, wenn sie uns die Wegbeschreibung gegeben hätten, die wir jetzt von Simones Nichte holen mussten.«
Lois sah ihn erstaunt an. »Das stimmt, nicht?«
»Ja. Und während wir geredet haben, ist die Zeit unaufhaltsam verflogen, wie das nun mal ist, wenn man ein
paar Ebenen höher steigt. Und sie haben auch beobachtet , wie sie verfliegt, davon kannst du ausgehen. Sie haben das ganze Gespräch so hingedeichselt, dass wir keine Zeit mehr hatten, die Fragen zu stellen, die sie nicht beantworten wollten, nachdem sie uns endlich alles erzählt hatten, was wir wissen mussten . Ich glaube, sie wollten uns in dem Glauben lassen, wir würden der Öffentlichkeit einen Dienst erweisen, dass es nur darum geht, die vielen Menschenleben zu retten, aber das konnten sie nicht frei heraus sagen, weil …«
»Weil das eine Lüge gewesen wäre, und möglicherweise können sie nicht lügen.«
»Richtig. Möglicherweise können sie nicht lügen.«
»Aber was wollen sie wirklich , Ralph?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, Lois. Keinen blassen Schimmer.«
Sie trank ihren eigenen Kaffee leer, stellte die Tasse behutsam auf den Unterteller, betrachtete einen Moment ihre Fingerspitzen und sah wieder auf. Wieder war er beeindruckt von ihrer Schönheit - fast überwältigt.
»Sie waren gut«, sagte sie. »Sie sind gut. Das habe ich sehr stark gespürt. Du nicht?«
»Doch«, sagte er fast widerwillig. Selbstverständlich hatte er es gespürt. Sie waren das genaue Gegenteil von Atropos.
»Und du wirst trotzdem versuchen, Ed aufzuhalten - du hast gesagt, du könntest es ebenso wenig nicht tun, wie du dich nicht ducken könntest, wenn dir jemand einen Baseball an den Kopf wirft. Ist es nicht so?«
»Ja«, sagte er noch widerwilliger.
»Dann solltest du es dabei bewenden lassen«, sagte sie ruhig und sah ihm mit ihren dunklen in seine blauen
Augen. »Es nimmt nur Platz in deinem Kopf weg, Ralph. Macht eine Rumpelkammer daraus.«
Er sah ein, dass sie recht hatte, bezweifelte aber, dass er einfach die Hand aufmachen und diesen Teil davonfliegen lassen konnte. Vielleicht musste man siebzig werden, bis man voll und ganz einsah, wie schwer es war, seiner Erziehung zu entkommen. Seine Ausbildung, ein Mann zu sein , hatte vor Adolf Hitlers Aufstieg an die Macht begonnen, und er war immer noch ein Gefangener der Generation, die sich H. V. Kaltenborn und die Andrews Sisters im Radio angehört hatte - einer Generation von Männern, die auf Cocktails bei Mondlicht stand und meilenweit für eine Camel Filter ging. Diese Erziehung ignorierte im Grunde so hübsche moralische Fragen wie, wer für die Guten und wer für die Bösen arbeitete; das Wichtigste war, dass man sich von den Schlägern keinen Sand in die Augen kicken ließ. Dass man sich nicht an der Nase herumführen ließ.
Ist das so?, fragte Carolyn kühl amüsiert. Wie faszinierend. Aber ich will die Erste sein, die dir ein kleines Geheimnis erzählt, Ralph: Das ist Quatsch. Das war schon Quatsch, bevor Glenn Miller am Horizont erschienen ist, und es ist heute immer noch Quatsch. Aber die Vorstellung, dass ein Mann tun muss, was ein Mann tun muss … darin könnte ein Körnchen Wahrheit enthalten sein, sogar heutzutage. Auf jeden Fall ist es ein langer Weg zurück ins Paradies, oder nicht, Liebling?
Ja. Ein sehr langer Weg zurück ins Paradies.
»Worüber lächelst du, Ralph?«
Die Kellnerin, die mit einem riesigen Tablett Essen kam, ersparte ihm die Antwort. Er bemerkte zum ersten Mal,
dass sie einen roten Button an den Rüschen ihrer Schürze stecken hatte.
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