Schlaflos - Insomnia
… ich! Alle Teil des Plans.«
»Das ist schön, Dor«, sagte Lois, »aber wohin bringt uns der Plan jetzt? Und was sollen wir tun, wenn wir dort sind?«
Dorrance beugte sich nach vorn und flüsterte Joe Wyzer etwas ins Ohr, wobei er den Mund mit einer geschwollenen Hand voller Altersflecke abschirmte. Dann lehnte er sich wieder zurück und schien ungeheuer zufrieden mit sich selbst zu sein.
»Er sagt, wir fahren zum Bürgerzentrum«, sagte Joe.
»Zum Bürgerzentrum! «, rief Lois erschrocken aus. »Nein, das kann nicht richtig sein! Die beiden kleinen Männer haben gesagt …«
»Vergiss sie vorerst mal«, sagte Dorrance. »Vergiss nur nicht, worum es geht - Mut. Wer ihn hat, und wer nicht.«
2
Fast eine Meile herrschte Schweigen in Joe Wyzers Ford. Dorrance schlug sein Buch mit Gedichten von Robert Creeley auf und fing an zu lesen, wobei er die Zeilen mit dem gelben Nagel eines uralten Fingers nachfuhr. Ralph musste an ein Spiel denken, das sie manchmal als Kinder gespielt hatten - kein besonders schönes. Es hieß Schnepfenjagd. Man nahm sich Kinder, die jünger und wesentlich leichtgläubiger als man selbst waren, tischte ihnen ein Lügenmärchen über die sagenhafte Schnepfe auf, und dann gab man ihnen Jutesäcke und ließ sie einen ganzen Nachmittag unter Mühen und Plagen durch Wald und Flur ziehen, um nach nicht existierenden Vögeln Ausschau zu halten.
Dieses Spiel nannte man auch »Wild Goose Chase«, und er hatte plötzlich das unausweichliche Gefühl, dass Klotho und Lachesis es auf dem Dach des Krankenhauses mit ihnen gespielt hatten.
Er drehte sich auf dem Sitz herum und sah den alten Dor direkt an. Dorrance knickte die obere Ecke der Seite um, die er gerade las, schloss das Buch und betrachtete Ralph mit höflichem Interesse.
»Sie haben uns gesagt, wir sollten nicht mal in die Nähe von Ed Deepneau oder Doc Nr. 3 kommen«, sagte Ralph. Er sagte es langsam und sehr deutlich. »Sie haben uns unmissverständlich klargemacht, dass wir nicht einmal daran denken sollten, weil die beiden in dieser Situation mit außergewöhnlichen Kräften versehen worden seien und wir zerquetscht würden wie die Fliegen. Ich glaube, Lachesis hat sogar angedeutet, wenn wir versuchen würden, uns Ed oder Atropos zu nähern, würden wir vielleicht Besuch von einem der Bosse der höheren Ebenen bekommen … jemand, den Ed den Scharlachroten König nennt. Nach allem, was man so hört, nicht unbedingt ein netter Kerl.«
»Ja«, sagte Lois mit schwacher Stimme. »Das haben sie uns auf dem Dach des Krankenhauses gesagt. Sie haben gesagt, wir sollten die verantwortlichen Frauen davon überzeugen, dass sie die Veranstaltung mit Susan Day abgesagt wird. Deshalb sind wir nach High Ridge gefahren.«
»Und ist Ihnen gelungen, sie zu überzeugen?«, fragte Wyzer.
»Nein. Eds verrückte Freunde sind vor uns dort gewesen, haben das Haus angezündet und mindestens zwei Frauen ermordet. Erschossen. Eine war genau die Frau, mit der wir reden wollten.«
»Gretchen Tillbury«, sagte Ralph.
»Ja«, stimmte Lois zu. »Aber wir müssen ganz bestimmt nichts mehr tun - ich kann mir nicht vorstellen, dass die Veranstaltung stattfinden wird. Ich meine, wie könnten sie das jetzt noch tun? Mein Gott, mindestens vier Menschen wurden getötet! Wahrscheinlich mehr! Sie müssen die Rede absagen oder wenigstens verschieben. Ist es nicht so?«
Weder Dorrance noch Joe antworteten. Ralph antwortete auch nicht - er musste an Helens rotgeränderte, wütende Augen denken. Wie kannst du das fragen?, hatte sie gesagt. Wenn sie uns jetzt aufhalten, haben sie gewonnen.
Wenn sie uns jetzt aufhalten, haben sie gewonnen.
Gab es eine rechtliche Möglichkeit, dass die Polizei es ihnen verbieten konnte? Wahrscheinlich nicht. Der Stadtrat? Vielleicht. Vielleicht konnten sie eine Sondersitzung einberufen und die Genehmigung widerrufen, die sie WomanCare erteilt hatten. Aber würden sie das tun? Wenn zwei- oder dreitausend erboste, trauernde Frauen vor dem Rathaus auf und ab marschierten und unisono brüllten: Wenn sie uns jetzt aufhalten, haben sie gewonnen, würde der Stadtrat dann die Genehmigung widerrufen?
Ralph spürte, wie allmählich eine tiefe Niedergeschlagenheit von ihm Besitz ergriff.
Helen hielt die Veranstaltung heute Abend eindeutig für wichtiger denn je, und damit stand sie gewiss nicht allein. Es ging nicht mehr nur um freie Entscheidung und wer das Recht hatte, zu bestimmen, was eine Frau mit ihrem eigenen Körper tat; jetzt ging es um
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