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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hellgrüner Lichtstrahl schoss aus der Aura des Schnorrers, überquerte die zehn Fuß zwischen ihm und Lois und drang in Ralphs Mund ein. Der Geschmack war deutlich und sofort zu identifizieren: Boone’s Farm Apfelwein. Rau und derb, aber dennoch irgendwie angenehm - das Funkeln eines Arbeiters haftete ihm an. Mit dem Geschmack spürte er auch, seine Kraft wiederkehren, das war gut, außerdem eine scharf umrissene Klarheit des Denkens, und das war noch besser.
    Inzwischen hielt Lois ihm einen Zwanzigdollarschein hin. Der Penner sah ihn aber nicht gleich; er sah mürrisch zum Himmel hinauf. In dem Moment schoss ein zweiter hellgrüner Strahl aus seiner Aura. Er schoss wie der gleißende Lichtstrahl einer Taschenlampe über das Unkraut neben dem Kellerloch, und verschwand in Lois’ Mund und Nase. Der Geldschein in ihrer Hand zitterte kurz.

    [»O Gott, das ist so gut!«]
    »Gottverdammte Düsenjäger von der Charleston Air Force Base!«, schrie der Penner missbilligend. »Solln die Schallmauer erst durchbrechen, wenn sie draußen über’m Meer sind! Ich hab mir fast in die Hose …« Sein Blick fiel auf den Geldschein zwischen Lois’ Fingern, und seine Miene wurde noch missmutiger. »Jetzt aber, wollnse mich verscheißern, oder was? Ich bin nich dumm, wissense. Ich trink vielleicht ab und zu mal gern einen, aber das macht mich noch lang nich dumm.«
    Warten Sie nur ab, dachte Ralph. Das kommt noch.
    »Niemand hält Sie für dumm«, sagte Lois. »Und es ist kein Witz. Nehmen Sie das Geld, Sir.«
    Der Penner versuchte, seine finstere, argwöhnische Miene beizubehalten, aber nach einem weiteren eingehenden Blick auf Lois (und einem raschen Seitenblick zu Ralph), wurde sie von einem strahlenden, einnehmenden Lächeln verdrängt. Er ging auf Lois zu und streckte die Hand nach dem Geld aus, das er verdient hatte, ohne es überhaupt zu wissen.
    Lois hob die Hand, bevor er seine Finger um den Geldschein schließen konnte. »Aber denken Sie daran, dass Sie sich nicht nur etwas zu trinken, sondern auch etwas zu essen besorgen. Und Sie sollten sich vielleicht mal fragen, ob die Art und Weise, wie Sie leben, Sie glücklich macht.«
    »Da haben Sie vollkommen recht!«, rief der Penner enthusiastisch. Er ließ den Geldschein zwischen Lois’ Fingern nicht aus den Augen. »Auf jeden Fall, Ma’am! Auf der anderen Seite des Flusses ham sie ein Programm, Entziehung und Resozialisierung, wissense. Ich denk drüber nach. Wirklich. Ich denk jeden verdammten Tag drüber nach.« Aber sein Blick haftete nach wie vor an dem Zwanziger,
und er sabberte fast. Lois warf Ralph einen kurzen, zweifelnden Blick zu, dann zuckte sie die Achseln und gab ihm den Schein. »Danke! Danke, Lady!« Er sah zu Ralph. »Diese Lady is’ne echte Prinzessin. Ich hoffe, Sie wissen das!«
    Ralph schenkte Lois einen verliebten Blick. »Ja, das weiß ich durchaus«, sagte er.

5
    Eine halbe Stunde später gingen die beiden zwischen den rostigen Schienen dahin, die in einer sanften Kurve am städtischen Golfplatz vorbeiführten … aber nach ihrer Begegnung mit dem Penner waren sie etwas höher über die Ebene der Kurzfristigen hinaufgestiegen (möglicherweise, weil der selbst ein bisschen high gewesen war), und gehen war auch nicht unbedingt die richtige Bezeichnung. Zum einen war wenig bis gar keine Kraftanstrengung erforderlich, und obwohl sich ihre Füße bewegten, kam es Ralph mehr wie ein Gleiten als wie ein Gehen vor. Und er war nicht mit Bestimmtheit, ob man sie in der Welt der Kurzfristigen überhaupt sehen konnte; Eichhörnchen hüpften sorglos vor ihren Füßen herum und sammelten emsig Vorräte für den bevorstehenden Winter, und einmal sah er, wie Lois sich unvermittelt duckte, da ein Zaunkönig ihr fast einen Scheitel zog. Der Vogel wich aus und flatterte in die Höhe, als wäre ihm erst im letzten Moment klar geworden, dass sich ein Mensch in seiner Flugbahn befand. Die Golfspieler beachteten sie auch überhaupt nicht. In Ralphs Augen waren Golfspieler zwar ohnehin bis zur Besessenheit
in ihr Spiel vertieft, trotzdem kam ihm dieser Mangel an Interesse extrem vor. Wenn er ein ordentlich angezogenes Paar gesehen hätte, das am helllichten Tag auf einem stillgelegten Gleis von GS & WM dahinspazierte, hätte er höchstwahrscheinlich eine kurze Auszeit genommen und sich gefragt, was sie im Schilde führen und wohin sie unterwegs sein mochten. Ich glaube, besonders neugierig wäre ich, weshalb die Dame ununterbrochen »Bleib, wo du bist, verflixtes altes

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