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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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diejenigen auf vielen Ebenen über und unter der Welt der Kurzfristigen. Diese Menschen sind die Großen, und ihr Leben dient immer dem Plan. Wenn sie zu früh geholt werden, verändert sich alles. Die Waagschalen sind nicht mehr im Gleichgewicht. Können Sie sich beispielsweise vorstellen, wie verändert die Welt heute aussehen würde, wenn Hitler als Baby in der Badewanne ertrunken
wäre? Sie denken vielleicht, die Welt wäre dann besser dran, aber ich kann Ihnen sagen, die Welt würde überhaupt nicht mehr existieren, wenn das geschehen wäre. Angenommen, Winston Churchill wäre an Lebensmittelvergiftung gestorben, bevor er Premierminister werden konnte? Angenommen, Kaiser Augustus wäre tot geboren worden, von seiner eigenen Nabelschnur erwürgt? Aber die Person, die Sie retten sollen, ist von weitaus größerer Bedeutung als sie alle.]
    [»Verdammt, Lois und ich haben den Jungen schon einmal gerettet! Ist der Fall damit nicht abgeschlossen und er wieder dem Plan zurückgegeben?«]
    Lachesis, geduldig: [Ja, aber vor Ed Deepneau ist er nicht sicher, denn Deepneau hat weder im Zufall noch im Plan eine Bestimmung. Von allen Menschen auf der Welt kann nur Deepneau ihm ein Leid zufügen, bevor seine Zeit gekommen ist. Wenn Deepneau scheitert, ist der Junge wieder sicher - er wird seine Zeit ruhig verbringen, bis sein Augenblick gekommen ist und er die Bühne betritt, um seine kurze aber äußerst bedeutende Rolle zu spielen.]
    [»Demnach bedeutet ein Leben so viel?«]
    Lachesis: [Ja. Wenn dieses Kind stirbt, wird der Turm aller Existenzen fallen, und die Folgen eines solchen Falls übersteigen Ihre Vorstellungskraft. Und unsere ebenfalls.]
    Ralph betrachtete einen Moment seine Schuhe. Sein Kopf schien tausend Pfund zu wiegen. Er hatte es hier mit einer Ironie zu tun, die er trotz seiner Müdigkeit mühelos begreifen konnte. Atropos hatte Ed offenbar in Bewegung gesetzt, indem er einen möglicherweise bereits latent vorhandenen Messiaskomplex - der vielleicht eine Nebenwirkung seines unbestimmten Status war -, zu hellen Flammen
entfacht hatte. Ed sah nicht - und würde es auch nicht glauben, wenn man es ihm sagen würde -, dass Atropos und seine Bosse auf den höheren Ebenen ihn nicht benutzen wollten, um den Messias zu retten, sondern um ihn zu töten.
    Er sah wieder in die beunruhigten Gesichter der beiden kleinen kahlköpfigen Ärzte.
    [»Okay, ich habe keine Ahnung, wie ich Ed aufhalten soll, aber ich werde es versuchen.«]
    Klotho und Lachesis sahen einander an und ließen beide dasselbe (und ausgesprochen menschliche) Lächeln der Erleichterung sehen. Ralph hob mahnend einen Finger.
    [»Moment. Ihr habt noch nicht alles gehört.«]
    Das Lächeln erlosch.
    [»Ich will dafür etwas von euch haben. Ein Leben. Ich tausche das Leben eures vierjährigen Jungen gegen …«]

6
    Lois hörte das Ende davon nicht mehr; seine Stimme sank einen Augenblick unter die Schwelle des Hörbaren, aber als sie sah, wie zuerst Klotho und dann Lachesis die Köpfe schüttelten, verließ sie der Mut.
    Lachesis: [Ich verstehe Ihre Bedrängnis, denn Atropos kann ganz gewiss tun, was er angedroht hat. Aber Sie müssen einsehen, dass dieses eine Leben kaum so bedeutend ist wie …]
    Ralph: [»Aber für mich ist es das, begreift ihr nicht? Für mich ist es das. Ihr Jungs müsst in eure Köpfe bekommen, dass für mich beide Leben gleich …«]

    Sie verstand wieder nicht alles, aber Klotho konnte sie deutlich vernehmen; er war dermaßen verzweifelt, dass er fast wimmerte.
    [Aber das ist etwas anderes! Das Leben dieses Jungen ist etwas anderes!]
    Nun hörte sie Ralph deutlich, er redete (wenn man es überhaupt als Rede bezeichnen konnte) mit einer furchtlosen, unerbittlichen Logik, die Lois an ihren Vater erinnerte.
    [»Alle Leben sind etwas anderes. Alle sind wichtig oder keines ist wichtig. Das ist selbstverständlich nur meine kurzsichtige Kurzfristigenansicht, aber ich denke, ihr Jungs werdet euch damit abfinden müssen, da ich derjenige mit dem Hammer bin. Es läuft darauf hinaus: Ich mache einen Tausch, Gleiches mit Gleichem vergelten. Das Leben, das euch wichtig ist, gegen das Leben, das mir wichtig ist. Ihr müsst mir nur euer Wort geben, dann sind wir im Geschäft.«]
    Lachesis: [Ralph, bitte! Bitte verstehen Sie doch, dass wir das wirklich nicht dürfen!]
    Es folgte ein langer Augenblick des Schweigens. Als Ralph wieder das Wort ergriff, war seine Stimme leise, aber dennoch hörbar. Es war allerdings das letzte völlig deutlich

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