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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Blutergüssen - ihm möglicherweise entgangen sein konnten.
    Und dann ist da noch Natalie, dachte er. Was hat sie gesehen? Was hat sie erlebt? Davon abgesehen, dass sie auf der Hüfte ihrer stolpernden, blutenden Mutter über die Harris Avenue und den Parkplatz des Red Apple getragen worden war.
    Gänsehaut bildete sich auf Ralphs Armen.
    Derweil ging Ed auf und ab, überquerte ununterbrochen den Betonweg und zertrat die Zinnien, die Helen an dessen Rand entlang gepflanzt hatte. Er war wieder zu dem Ed geworden, den Ralph vor einem Jahr am Flughafen gesehen hatte, bis hin zu den knappen, ruckartigen Kopfbewegungen und den stechenden Blicken ins Leere.
    Das sollte das arglose Benehmen von vorhin verbergen, dachte Ralph. Er sieht jetzt genauso aus wie damals, als er hinter dem Mann her war, der den Pick-up gefahren hat. Wie ein Hahn, der sein kleines Stück des Hofs verteidigt.

    »Das alles ist streng genommen nicht ihre Schuld, das gebe ich zu.« Ed sprach hastig und schlug mit der rechten Faust in die linke Handfläche, während er durch den Gischtschleier des Rasensprengers ging. Ralph fiel auf, dass er jede Rippe von Eds Brustkorb sehen konnte; der Mann sah aus, als hätte er seit Monaten keine anständige Mahlzeit mehr gehabt.
    »Aber wenn die Dummheit einmal ein bestimmtes Maß erreicht hat, fällt es einem schwer, damit zu leben«, fuhr Ed fort. »Sie ist im Grunde genommen wie die drei Weisen, die zu König Herodes kommen und Informationen wollen. Ich meine, wie dumm kann man werden? ›Wo ist der, der zum König der Juden geboren ist?‹ Das fragen sie Herode s . Ich meine, von wegen weise Männer! Richtig, Ralph?«
    Ralph nickte. Klar, Ed. Wie du meinst, Ed.
    Ed erwiderte das Nicken, trampelte weiter durch die Gischt und die geisterhaften, ineinander verflochtenen Regenbogen und schlug die Faust in die Handfläche. »Es ist wie in diesem Song der Rolling Stones - ›Look at that, look at that, look at that stupid girl‹ . Daran erinnerst du dich wahrscheinlich nicht, oder?« Ed lachte, ein sprödes, kurzatmiges Geräusch, bei dem Ralph an Ratten denken musste, die auf Glasscherben tanzten.
    McGovern kniete neben ihm. »Lass uns von hier verschwinden«, murmelte er. Ralph schüttelte den Kopf, und als sich Ed wieder in ihre Richtung umdrehte, stand McGovern hastig auf und zog sich auf den Bürgersteig zurück.
    »Sie hat gedacht, sie könnte dich hinters Licht führen, ist es das?«, fragte Ralph. Er lag immer noch auf die Ellbogen gestützt auf dem Rasen. »Sie hat gedacht, du würdest
nicht herausfinden, dass sie die Petition unterschrieben hat.«
    Ed sprang über den Weg, beugte sich über Ralph und schüttelte seine Fäuste über dessen Kopf wie ein Bösewicht in einem Stummfilm. »Nein-nein-nein- nein! «, schrie er.
    Die Jefferson Airplane waren den Animals gewichen, Eric Burdon röhrte das Evangelium nach John Lee Hooker: Boom-boom-boom-boom, gonna shoot ya right down. McGovern stieß einen dünnen Schrei aus, weil er offenbar dachte, Ed würde Ralph angreifen, aber stattdessen sank Ed nach unten, presste die Knöchel der linken Hand ins Gras und nahm die Haltung eines Sprinters an, der bereit ist, aus den Startlöchern zu schnellen, sobald die Starterpistole ertönt. Perlen bedeckten sein Gesicht, die Ralph anfangs für Schweiß hielt, bis ihm einfiel, dass Ed durch die Gischt des Sprengers hin und her gegangen war. Ralph musste ständig den Blutspritzer auf dem linken Brillenglas von Ed ansehen. Der war ein wenig verschmiert, sodass die Pupille des linken Auges jetzt aussah, als wäre sie mit Blut gefüllt.
    »Es war Schicksal, herauszufinden, dass sie die Petition unterschrieben hatte! Einfach Schicksal! Willst du mir einreden, dass du das nicht siehst? Beleidige nicht meine Intelligenz, Ralph! Du bist vielleicht in die Jahre gekommen, aber du bist alles andere als dumm. Es ist so, ich gehe runter zum Supermarkt, um Baby-Nahrung zu kaufen - das nenne ich Ironie! -, und muss feststellen, dass sie bei den Babymördern unterschrieben hat! Den Zenturionen! Dem Scharlachroten König persönlich! Und weißt du was? Ich … habe … da … einfach … rot gesehen!«

    »Der Scharlachrote König, Ed? Wer ist das?«
    »Oh, bitte.« Ed warf Ralph einen listigen Blick zu. »›Da Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen worden war, ward er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Knäblein zu Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die da zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er mit

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