Schlaflos - Insomnia
Mann. »Das ist Officer Chris Nell. Soweit wir wissen, gab es hier ein bisschen Ärger, Sir.«
»Nun, ja. So könnte man wohl sagen. Ein bisschen Ärger. Oder, wenn Sie die Dinge beim Namen nennen wollen, ich habe mich aufgeführt wie ein Arsch.« Eds kurzes, verlegenes Lachen klang besorgniserregend normal. Ralph musste an alle charmanten Psychopathen denken, die er im Kino gesehen hatte - George Sanders war immer besonders
gut in dieser Rolle gewesen - und er fragte sich, ob es möglich sein konnte, dass ein kluger Chemiker einen Kleinstadtpolizisten aufs Kreuz legen konnte, der aussah, als hätte er seine Saturday Night Fever -Phase nie richtig überwunden. Ralph hatte schreckliche Angst, dass es ihm gelingen könnte.
»Helen und ich hatten einen Streit wegen einer Petition, die sie unterschrieben hatte«, sagte Ed, »und eins führte zum anderen. Mann, ich kann selbst nicht glauben, dass ich sie geschlagen habe.«
Er ruderte mit den Armen, als ob er zeigen wollte, wie aufgewühlt er war - um nicht zu sagen verwirrt und beschämt. Leydecker erwiderte das Lächeln. Ralphs Gedanken kreisten wieder um die Konfrontation zwischen Ed und dem Fahrer des blauen Pick-ups letzten Sommer. Ed hatte den schwergewichtigen Mann einen Mörder genannt, hatte ihm sogar ins Gesicht geschlagen, und trotzdem hatte der Mann Ed am Ende fast mit Respekt angesehen. Es war fast eine Art Hypnose gewesen, und Ralph glaubte, dass er dieselbe Macht hier am Wirken sah.
»Die Sache ist nur ein wenig außer Kontrolle geraten, wollen Sie mir das damit sagen?«, fragte Leydecker verständnisvoll.
»So könnte man sagen, ja.« Ed musste mindestens zweiunddreißig sein, aber mit seinen großen Augen und der Unschuldsmiene sah er aus, als wäre er kaum alt genug, selbst ein Bier zu kaufen.
»Moment mal«, platzte Ralph heraus. »Sie können ihm nicht glauben, er ist verrückt. Und gemeingefährlich. Er hat mir gerade gesagt...«
»Das ist Mr. Roberts, richtig?«, wandte sich Leydecker an McGovern und beachtete Ralph überhaupt nicht.
»Ja«, sagte McGovern, in für Ralph unerträglich wichtigtuerischem Ton. »Das ist Ralph Roberts.«
»Hmhm.« Nun endlich sah Leydecker Ralph an. »Ich möchte mich in ein paar Minuten mit Ihnen unterhalten, Mr. Roberts, aber vorläufig wäre es mir lieb, wenn Sie bei Ihrem Freund dort stehen bleiben und still sein würden. Okay?«
»Aber...«
»Okay?«
Wütender denn je stapfte Ralph zu der Stelle hinüber, wo McGovern stand. Was Leydecker nicht im Geringsten zu stören schien. Er wandte sich an Officer Nell. »Würden Sie bitte die Musik abstellen, Chris, damit wir uns denken hören können?«
»Yo.« Der uniformierte Cop ging zu dem Ghettoblaster, inspizierte die verschiedenen Knöpfe und Schalter und würgte dann die Who mitten in ihrem Stück über den blinden Pinball Wizard ab.
»Ich glaube, ich hatte echt ein bisschen zu sehr aufgedreht.« Ed sah ein wenig belämmert drein. »Ein Wunder, dass sich die Nachbarn nicht beschwert haben.«
»Nun ja, das Leben geht weiter«, sagte Leydecker. Er richtete sein angedeutetes, heiteres Lächeln zu den Wolken, die über den blauen Sommerhimmel zogen.
Na großartig, dachte Ralph. Der Typ ist ja ein richtiger Komiker wie Will Rogers. Ed dagegen nickte, als hätte der Detective nicht eine einzige Perle der Weisheit von sich gegeben, sondern eine ganze Kette.
Leydecker kramte in seinen Taschen und brachte ein kleines Päckchen Zahnstocher zum Vorschein. Er hielt es Ed hin, der ablehnte, dann schüttelte er selbst einen heraus und steckte ihn in den Mundwinkel. »Also«, sagte er. »Kleiner Familienstreit. Wollen Sie das damit sagen?«
Ed nickte eifrig. Er lächelte immer noch sein aufrichtiges, etwas verwirrtes Lächeln. »Eigentlich mehr eine Diskussion. Eine politische...«
»Hmhm, hmhm«, sagte Leydecker, nickte und lächelte, »aber bevor Sie fortfahren, Mr. Deepneau …«
»Ed. Bitte.«
»Bevor wir fortfahren, Mr. Deepneau, möchte ich Ihnen nur noch mitteilen, dass alles, was Sie sagen, gegen Sie verwendet werden kann - Sie wissen schon, vor Gericht. Außerdem haben Sie das Recht auf einen Anwalt.«
Eds freundliches, aber verwirrtes Lächeln - Herrje, was habe ich getan? Könnten Sie mir nicht etwas auf die Sprünge helfen? - erlosch einen Augenblick. Es wurde von dem verkniffenen, abschätzigen Ausdruck ersetzt. Ralph schaute zu McGovern, und die Erleichterung, die er in Bills Augen sah, spiegelte seine eigenen Gefühle. Vielleicht war Leydecker
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