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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Fleiß von den Weisen erkundet hatte.‹ Es steht in der Bibel, Ralph. Matthäus, Kapitel 2, Vers 16. Zweifelst du daran? Hast du etwa den geringsten verschissenen Zweifel , dass das dort steht?«
    »Nein. Wenn du es sagst, glaube ich dir.«
    Ed nickte. Der Blick seiner erstaunlich dunkelgrünen Augen schnellte hierhin und dorthin. Dann beugte er sich langsam nach vorn über Ralph und platzierte seine Hände auf beiden Seiten von Ralphs Armen. Es war, als wollte er ihn küssen. Ralph konnte Schweiß und ein Aftershave riechen, das sich fast völlig verflüchtigt hatte, und noch etwas - einen Geruch wie von alter, saurer Milch. Er fragte sich, ob das der Gestank von Eds Wahnsinn sein konnte.
    Ein Krankenwagen kam mit Blaulicht, aber ohne Sirene, die Harris Avenue entlanggefahren. Er bog auf den Parkplatz des Red Apple ein.
    »Das solltest du auch besser tun«, atmete Ed ihm ins Gesicht. »Das solltest du besser glauben.«
    Sein Blick hörte auf zu schweifen und heftete sich auf Ralph.
    »Sie töten die Babys en gros«, sagte er mit leiser, nicht ganz fester Stimme. »Reißen Sie aus den Leibern ihrer Mütter und befördern sie mit verdeckten Lastwagen aus der Stadt. Überwiegend Pritschenwagen. Stell dir eine Frage, Ralph: Wie oft in der Woche siehst du einen dieser großen
Pritschenwagen die Straße entlangfahren? Einen Pritschenwagen, über den eine Plane gespannt ist? Hast du dich schon mal gefragt, was diese Laster transportieren? Hast du dich schon mal gefragt, was sich unter diesen Planen befindet?«
    Ed grinste. Er verdrehte die Augen.
    »Die meisten Föten verbrennen sie drüben in Newport. Auf dem Schild steht Mülldeponie , aber in Wirklichkeit ist es ein Krematorium. Aber manche transportieren sie auch über die Staatsgrenze. Mit Lastwagen und kleinen Flugzeugen. Weil das Gewebe von Föten überaus wertvoll ist. Das sage ich dir nicht nur als besorgter Bürger, Ralph, sondern als Angestellter der Hawking Labors. Fetalgewebe ist … wertvoller … als Gold.«
    Plötzlich drehte er den Kopf und sah Bill McGovern an, der wieder etwas näher gekommen war, damit er alles mitbekam, was Ed sagte.
    »Ja, wertvoller als Gold und kostbarer als Rubine!«, kreischte er, worauf McGovern zurücksprang und vor Angst und Unbehagen die Augen aufriss. »Weißt du das, du alte Schwuchtel?«
    »Ja«, sagte McGovern. »Ich … ich denke schon.« Er warf hastig einen Blick die Straße hinunter, wo eines der Polizeiautos gerade rückwärts aus dem Parkplatz des Red Apple stieß und in ihre Richtung gefahren kam. »Ich glaube, ich habe darüber gelesen. Möglicherweise in Scientific American .«
    »Scientific American!« Ed lachte verächtlich und verdrehte die Augen vor Ralph, als wollte er sagen: Da siehst du, womit ich mich abgeben muss. Dann wurde sein Gesicht wieder nüchtern. »Mord en gros«, sagte er, »genau
wie zu Zeiten Christi. Nur ist es jetzt Mord an den Ungeborenen. Nicht nur hier, sondern überall auf der Welt. Sie schlachten sie zu Tausenden ab, Ralph, zu Millionen , und weißt du, warum? Weißt du, weshalb wir in diesem neuen Zeitalter der Dunkelheit wieder am Hof des Scharlachroten Königs sind?«
    Ralph wusste es. Es war nicht schwer, das zusammenzusetzen, wenn man genügend Puzzleteile hatte, mit denen man arbeiten konnte. Wenn man Ed gesehen hatte, wie er mit den Armen in einem Fass chemischen Dünger nach den toten Babys suchte, die er zu finden erwartet hatte.
    »König Herodes ist diesmal etwas früher gewarnt worden«, sagte Ralph. »Willst du das damit sagen? Die alte Messias-Geschichte, richtig?«
    Er richtete sich auf und rechnete halb damit, dass Ed ihn wieder zurückstoßen würde, hoffte fast darauf. Seine Wut stellte sich wieder ein. Es war sicher falsch, die unsinnigen Hirngespinste eines Wahnsinnigen zu kritisieren wie ein Schauspiel oder einen Film - vielleicht sogar blasphemisch -, aber Ralph versetzte der Gedanke, dass Helen wegen dieser abgedroschenen alten Scheiße verprügelt worden war, in Rage.
    Ed rührte ihn nicht an, er stand lediglich auf und wischte sich geschäftsmäßig die Hände ab. Er schien sich wieder abzuregen. Der Polizeifunk knisterte lauter, als der Streifenwagen, der vom Red Apple hergekommen war, an den Bordstein fuhr. Ed sah zu dem Streifenwagen, dann zu Ralph, der ebenfalls aufstand.
    »Du kannst dich darüber lustig machen, aber es ist wahr«, sagte er leise. »Aber es ist nicht König Herodes - es ist der Scharlachrote König. Herodes war lediglich eine seiner

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