Schlaflos - Insomnia
der sich anschickt zu sagen: O Scheiße, Liebling, hab ich schon wieder vergessen, den Müll rauszustellen?
Ralph deutete den Hügel hinunter an McGovern vorbei, der bei dem nassen Fleck stand, den der Rasensprenger auf dem Bürgersteig hinterlassen hatte - man hätte es auch lauern nennen können, wenn da etwas gewesen wäre, hinter dem er hätte lauern können - und sie nervös beobachtete. Zu dem ersten Polizeiauto hatte sich ein zweites gesellt, und Ralph konnte leise das Knistern von Funkverkehr durch die offenen Fenster hören. Die Menschenmenge war beachtlich angewachsen.
»Die Polizei ist wegen Helen hier!«, sagte er und ermahnte sich, nicht zu schreien, es würde nichts nutzen, zu
schreien, schrie aber trotzdem. »Sie sind hier, weil du deine Frau verprügelt hast, kapierst du das?«
»Oh«, sagte Ed und rieb sich reumütig die Wangen. »Deswegen.«
»Ja, deswegen «, sagte Ralph. Er war jetzt fast besinnungslos vor Wut.
Ed sah an ihm vorbei zu den Polizeiautos, zu der Menschenmenge, die vor dem Red Apple stand … und dann sah er McGovern.
»Bill!«, rief er. McGovern zuckte zusammen. Ed bemerkte es entweder nicht oder gab vor, es nicht zu bemerken. »He, Mann! Schnapp dir einen Stuhl! Willst du ein Bier?«
Da wusste Ralph, dass er Ed schlagen, seine alberne runde Brille zerbrechen, ihm möglicherweise einen Glassplitter ins Auge treiben würde. Er würde es tun, nichts auf der Welt konnte ihn davon abhalten, aber im letzten Augenblick hielt ihn doch etwas ab. Carolyns Stimme hörte er heutzutage immer häufiger in seinem Kopf - das heißt, wenn er nicht einfach mit sich selbst murmelte -, aber diesmal war es nicht Carolyns Stimme; diese Stimme gehörte, so unwahrscheinlich es sich anhörte, Trigger Vachon, den er nur ein- oder zweimal gesehen hatte, seit dieser ihn an dem Tag, als Carolyn ihren ersten Anfall gehabt hatte, vor dem Gewitter rettete.
Jawoll, Ralph! Sei verdammt vorsichtig! Der ist völlig von der Rolle! Vielleicht will er, dass du ihn schlägst!
Ja, entschied er. Vielleicht wollte Ed genau das. Warum? Wer weiß. Vielleicht, um die ganze Sache noch etwas verworrener zu machen, vielleicht auch nur, weil er verrückt war.
»Hör auf mit dem Scheiß«, sagte er mit fast zu einem Flüstern gesenkter Stimme. Er stellte dankbar fest, dass ihm sofort wieder Eds ungeteilte Aufmerksamkeit galt, und es freute ihn noch mehr, dass Eds angenehm vager Ausdruck verschämter Heiterkeit verschwand. Er wurde von einer verkniffenen, argwöhnischen Miene ersetzt. Es war, fand Ralph, der Ausdruck eines gefährlichen, gereizten Tieres.
Ralph bückte sich, damit er Ed direkt ansehen konnte. »War es wegen Susan Day?«, fragte er mit derselben leisen Stimme. »Susan Day und diese Abtreibungsgeschichte? Wegen der toten Babys? Hast du das alles an Helen ausgelassen?«
Eine andere Frage ging ihm durch den Kopf - Wer bist du wirklich, Ed? -, aber bevor er sie stellen konnte, streckte Ed eine Hand aus, drückte sie auf Ralphs Brust und stieß zu. Ralph fiel rückwärts auf das feuchte Gras, wo er sich mit Ellbogen und Schultern abstützte. Er lag mit flach auf den Boden gepressten Füßen und aufgestellten Knien da und beobachtete, wie Ed plötzlich aus dem Liegestuhl sprang.
»Ralph, leg dich nicht mit ihm an!«, rief McGovern von seiner relativ sicheren Position auf dem Bürgersteig.
Ralph schenkte ihm keine Beachtung. Er blieb einfach, wo er war, auf die Ellbogen gestützt, und beobachtete Ed aufmerksam. Er war immer noch ängstlich und wütend, aber diese Empfindungen wurden von einer seltsam schauderhaften Faszination überschattet. Es war Wahnsinn, was er da vor sich sah - der absolut helle Wahnsinn. Kein Comic-Superschurke, kein Norman Bates, kein Kapitän Ahab. Nur Ed Deepneau, der unten an der Küste in den
Hawking Labors arbeitete - eines der Superhirne, wie die alten Männer, die draußen auf der Extension Schach spielten, gesagt hätten, aber trotzdem ein ziemlich netter Kerl für einen Demokraten. Und jetzt war der nette Kerl total übergeschnappt, und das war nicht erst heute Nachmittag passiert, als Ed den Namen seiner Frau auf der Petition am Schwarzen Brett des Shop’n Save gesehen hatte. Ralph begriff jetzt, dass Eds Wahnsinn mindestens seit einem Jahr bestand, und dabei fragte er sich, was für Geheimnisse Helen hinter ihrem normalen, fröhlichen Verhalten und ihrem unbekümmerten Lächeln verborgen haben mochte, und welche kleinen, verzweifelten Signale - abgesehen von den
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