Schlaflos - Insomnia
sie. »Eines Tages, Ralph, werde ich einmal für dich kochen . Und jetzt setz dich.«
»Aber nicht auf meinen Hut«, sagte McGovern, ohne einen Blick von der Bonusrunde zu nehmen. Er nahm den Fedora von der Couch, warf ihn neben sich auf den Boden und machte sich wieder über seine Portion der Mahlzeit her, die schnell verschwand. »Schmeckt ausgezeichnet, Lois.«
»Danke.« Sie sah gerade lange genug zu, bis eine der Kandidatinnen eine Reise nach Barbados und ein neues Auto eingesackt hatte, dann eilte sie wieder in die Küche. Die kreischende Gewinnerin wurde ausgeblendet und von einem Mann im zerknitterten Pyjama ersetzt, der sich im Bett herumwälzte. Er richtete sich auf und sah zur Uhr auf dem Nachttisch. Die zeigte 3:18, eine Tageszeit, mit der Ralph inzwischen ziemlich vertraut geworden war.
»Können Sie nicht schlafen?«, fragte ein Sprecher teilnahmsvoll. »Haben Sie es satt, Nacht für Nacht wach zu
liegen?« Eine kleine leuchtende Tablette kam zum Fenster des Schlaflosen hereingeschwebt. Ralph fand, sie sah wie die kleinste fliegende Untertasse der Welt aus, und es überraschte ihn nicht im Geringsten, dass sie blau war.
Ralph setzte sich neben McGovern. Beide Männer waren schlank (hager wäre bei Bill sicherlich der zutreffendere Ausdruck gewesen), beanspruchten aber dennoch fast den gesamten Platz auf der Couch.
Lois kam mit ihrem eigenen Teller herein und setzte sich auf den Schaukelstuhl am Fenster. Über die Musik vom Band und den Studioapplaus, der das Ende der Show verkündete, sagte eine Frauenstimme: »Hier ist Lisette Benson. Schlagzeile bei News at Noon: Eine bekannte Frauenrechtlerin willigt ein, in Derry eine Rede zu halten, was zu Protesten - und sechs Verhaftungen - in einer Klinik der Stadt führt. Außerdem haben wir Chris Altoberg mit dem Wetter und Bob McClanahan mit dem Neuesten vom Sport. Bleiben Sie dran.«
Ralph schaufelte sich Makkaroni mit Käse in den Mund, sah auf und stellte fest, dass Lois ihn beobachtete. »Gut?«, fragte sie.
»Köstlich«, sagte er, und das stimmte, aber er dachte, im Augenblick hätte ihm eine große Portion kalte frankoamerikanische Spaghetti direkt aus der Dose genauso gut geschmeckt. Er war nicht nur hungrig, er war heißhungrig. Offenbar verbrauchte man eine Menge Kalorien, wenn man Auren sah.
»Kurz gesagt ist Folgendes passiert«, sagte McGovern, schluckte den letzten Happen seines Essens hinunter und stellte den Teller neben seinen Hut. »Etwa achtzehn Leute sind heute Morgen um halb neun vor dem Haus von
WomanCare aufgetaucht, als gerade Arbeitsbeginn war. Lois’ Freundin Simone sagt, sie bezeichnen sich selbst als ›Friends of Life‹, aber den Kern der Gruppe bilden die verschiedenen Irren und Wahnsinnigen, die früher unter dem Namen Daily Bread operierten. Sie hat gesagt, einer davon sei Charles Pickering, den die Polizei offenbar Ende letzten Jahres gefasst hat, als er gerade dabei war, eine Brandbombe auf das Gebäude abzufeuern. Simones Nichte hat gesagt, die Polizei hätte nur vier Personen festgenommen. Offenbar hat sie sich ein wenig verschätzt.«
»War Ed wirklich dabei?«, fragte Ralph.
»Ja«, sagte Lois, »und er wurde auch festgenommen. Aber zumindest wurde kein Tränengas eingesetzt. Das war ein Gerücht. Niemand wurde verletzt.«
»Diesmal«, sagte McGovern düster.
Das News-at-Noon-Logo erschien auf Lois’ hobbitgroßem Farbfernseher und löste sich zu Lisette Benson auf. »Guten Tag«, sagte sie. »Schlagzeile heute an diesem schönen Spätsommertag: Die prominente Schriftstellerin und umstrittene Frauenrechtlerin Susan Day hat eingewilligt, nächsten Monat im Bürgerzentrum von Derry eine Rede zu halten. Die Bekanntgabe dieser Absicht führte zu einer Demonstration vor WomanCare, dem Frauenzentrum in Derry mit angeschlossener Abtreibungsklinik, die die öffentliche Meinung gespalten …«
»Da kommen sie schon wieder mit dieser Abtreibungsklinik!«, rief McGovern aus. »Herrgott!«
»Still«, sagte Lois in einem gebieterischen Tonfall, der sich sehr von ihrem sonstigen zaghaften Murmeln unterschied. McGovern warf ihr einen überraschten Blick zu und verstummte.
»… John Kirkland bei WomanCare mit dem ersten von zwei Berichten«, kam Lisette Benson zum Ende, und das Bild wechselte zu einem Reporter, der vor einem langen, flachen Backsteingebäude stand. Eine Einblendung am unteren Bildschirmrand informierte die Zuschauer, dass es sich hier um eine LIVE VOR ORT-Reportage handelte. An einer Seite von
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