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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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segne und behüte uns, ein SCHLAFMITTEL.
    Nur gewöhnliche, alltägliche Mitbürger aus Derry, die ihren gewöhnlichen Alltagsverrichtungen nachgingen.
    Ralph stieß den angehaltenen Atem mit einem Stoßseufzer aus und wappnete sich für eine Woge der Erleichterung. Die Erleichterung kam , aber nicht die Sturzflut, mit der er gerechnet hatte. Kein Gefühl, dass er gerade noch rechtzeitig vom Rand des Wahnsinns weggekommen war; kein Gefühl, dass er überhaupt am Rand eines Abgrunds gestanden hatte. Und doch wusste er genau, dass er nicht lange in einer so grellen und wunderbaren Welt leben konnte, ohne seine geistige Gesundheit in Gefahr zu bringen; es wäre, als hätte man einen Orgasmus, der Stunden dauert. So erlebten möglicherweise Genies und große Künstler die Welt, aber für ihn war das nichts; so viel Saft würde binnen kürzester Zeit seine Sicherungen durchbrennen,
und wenn die Männer mit den Zwangsjacken kamen, ihm eine Spritze gaben und ihn mitnahmen, wäre er vermutlich froh darüber.
    Sein am deutlichsten zu identifizierendes Gefühl war nicht Erleichterung, sondern eine Art angenehmer Melancholie, die er, wie er sich erinnerte, manchmal als sehr junger Mann nach dem Geschlechtsverkehr verspürt hatte. Die Melancholie war nicht tief, aber breit, sie schien die leeren Stellen seines Körpers und Geistes zu füllen, so wie eine zurückweichende Flut eine Schicht lockerer, fruchtbarer Erde zurückließ. Er fragte sich, ob er jemals wieder den so erschreckenden, berauschenden Augenblick einer solchen Erscheinung erleben würde. Er dachte, dass die Chancen ziemlich gut standen … zumindest bis nächsten Monat, wenn James Roy Hong seine Nadeln in ihn steckte, oder bis Anthony Forbes seine goldene Taschenuhr vor seinen Augen schwenkte und ihm sagte, dass er sehr … sehr … müde werde. Möglicherweise würde es weder Hong noch Forbes gelingen, ihn von seiner Schlaflosigkeit zu heilen, aber falls doch, vermutete Ralph, würde er nach der ersten durchschlafenen Nacht aufhören, Auren und Ballonschnüre zu sehen. Und nach einem Monat oder so voll erholsamer Nächte würde er wahrscheinlich vergessen, dass dies jemals geschehen war. Soweit es ihn betraf, war das ein ausreichend guter Grund, einen Anflug von Melancholie zu spüren.
    Du solltest dich in Bewegung setzen, Kumpel - wenn dein neuer Freund zum Schaufenster der Apotheke heraussieht und du immer noch wie ein Trottel hier stehst, wird er wahrscheinlich selbst die Männer mit den Zwangsjacken rufen.

    »Eher wird er Dr. Litchfield anrufen«, murmelte Ralph und ging über den Parkplatz zur Harris Avenue.

5
    Er steckte den Kopf zu Lois’ Eingangstür hinein und rief: »Yo! Jemand zu Hause?«
    »Komm rein, Ralph!«, rief Lois zurück. »Wir sind im Wohnzimmer!«
    Ralph hatte sich immer vorgestellt, dass eine Hobbithöhle wie Lois Chasses Haus aussehen müsste, das etwa einen halben Block bergab vom Red Apple lag - hübsch und vollgestellt, möglicherweise ein bisschen zu dunkel, aber makellos sauber. Und er vermutete, ein Hobbit wie Bilbo Beutlin, dessen Interesse an seinen Vorfahren nur noch von dem Interesse übertroffen wurde, was es zum Essen gab, wäre bezaubert gewesen von dem winzigen Wohnzimmer, wo von jeder Wand Verwandte heruntersahen. Den Ehrenplatz über dem Fernseher beanspruchte eine verblasste Studiofotografie des Mannes, den Lois stets als »Mr. Chasse« bezeichnete.
    McGovern saß vornübergebeugt auf der Couch und balancierte einen Teller Makkaroni mit Käse auf den knochigen Knien. Der Fernseher war eingeschaltet, in einer Spielshow plauderte man sich gerade durch die Bonusrunde.
    »Was meint sie damit, wir sind im Wohnzimmer?«, fragte Ralph, aber bevor McGovern antworten konnte, kam Lois mit einem dampfenden Teller in der Hand herein.

    »Hier«, sagte sie. »Setz dich und iss. Ich habe mit Simone geredet, und sie sagte, dass es wahrscheinlich gleich in den News-at-Noon-Mittagsnachrichten kommen muss.«
    »Herrje, Lois, das wäre doch nicht nötig gewesen«, sagte er und nahm den Teller, aber sein Magen knurrte laut, als der Geruch von Zwiebeln und geschmolzenem Cheddar aufstieg. Er sah auf die Uhr an der Wand - die man gerade noch zwischen Fotos eines Mannes im Waschbärmantel und einer Frau, die aussah, als würde Ju-du-dihuu-du zu ihrem Vokabular gehören, erkennen konnte - und stellte erstaunt fest, dass es fünf Minuten vor zwölf war.
    »Ich habe nichts weiter getan, als ein paar Reste in die Mikrowelle zu stellen«, sagte

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