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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sie.
    Lisette Benson erschien wieder, und ihr nachdenklich verzogener Mund weckte die Überzeugung in Ralph, dass er vielleicht nicht der Einzige war, dem die Anziehungskraft zwischen den beiden Interviewpartnern aufgefallen war. »Wir werden den ganzen Tag über den weiteren Verlauf berichten«, sagte sie. »Vergessen Sie nicht, um sechs zu den neuesten Meldungen wieder einzuschalten. In Augusta reagierte Gouverneurin Greta Powers auf Vorwürfe, sie habe …«
    Lois stand auf und schaltete den Fernseher aus. Sie betrachtete reglos den leeren Bildschirm einen Moment, dann seufzte sie schwer und setzte sich. »Ich habe Blaubeerkompott«,
sagte sie, »aber möchte einer von euch danach noch etwas?«
    Beide Männer schüttelten die Köpfe. McGovern sah Ralph an und sagte: »Das war beängstigend.«
    Ralph nickte. Er musste daran denken, wie Ed in der Gischt des Rasensprengers hin und her gelaufen war, die Regenbogen mit seinem Körper zerrissen und sich mit der Faust in die offene Handfläche geschlagen hatte.
    »Wie konnten sie ihn nur auf Kaution freilassen und dann in den Nachrichten interviewen, als wäre er ein normaler Mensch?«, fragte Lois entrüstet. »Nach allem, was er der armen Helen angetan hat? Mein Gott, diese Anne Rivers hat ausgesehen, als würde sie ihn am liebsten zu sich zum Essen einladen!«
    »Oder um Cracker mit ihr im Bett zu essen«, sagte Ralph trocken.
    »Die Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und das heute sind zwei vollkommen verschiedene Dinge«, sagte McGovern, »und ihr könnt eure Stiefel darauf verwetten, dass der Anwalt oder die Anwälte dieser Verrückten darauf achten, dass das auch so bleibt.«
    »Und selbst die Körperverletzung war nur eine Ordnungswidrigkeit«, erinnerte Ralph sie.
    »Wie kann ein tätlicher Angriff eine Ordnungswidrigkeit sein?«, fragte Lois. »Tut mir leid, aber das habe ich noch nie verstanden.«
    »Es ist nur eine Ordnungswidrigkeit, wenn man es mit der eigenen Frau macht«, sagte McGovern und zog sardonisch eine Braue hoch. »So ist das in Amerika, Lo.«
    Sie verdrehte unablässig die Hände ineinander, holte Mr. Chasse vom Fernseher herunter, sah ihn einen Moment
an, stellte ihn wieder hin und verdrehte weiter die Hände. »Nun, das Gesetz ist eines«, sagte sie, »und ich bin die Erste, die zugibt, dass ich es nicht ganz verstehe. Aber jemand müsste ihnen sagen, dass er verrückt ist. Dass er seine Frau prügelt und verrückt ist.«
    »Du weißt gar nicht, wie verrückt«, sagte Ralph, und dann erzählte er ihnen zum ersten Mal die Geschichte, was sich im vergangenen Sommer draußen beim Flughafen abgespielt hatte. Es dauerte etwa zehn Minuten. Als er fertig war, sagte keiner etwas - sie sahen ihn nur mit aufgerissenen Augen an.
    »Was?«, fragte Ralph unbehaglich. »Glaubt ihr mir nicht? Denkt ihr, ich habe mir alles nur eingebildet?«
    »Selbstverständlich glaube ich dir«, sagte Lois. »Ich bin nur … nun … fassungslos. Und ich habe Angst.«
    »Ralph, ich glaube, du solltest John Leydecker die Geschichte erzählen«, sagte McGovern. »Vermutlich kann er absolut nichts damit anfangen, aber wenn ich mir Eds neue Spielkameraden ansehe, finde ich, er sollte diese Information haben.«
    Ralph dachte gründlich darüber nach, dann nickte er und stand auf. »Am besten erledige ich das gleich«, sagte er. »Möchtest du mitkommen, Lois?«
    Sie überlegte, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich bin müde«, sagte sie. »Und ein bisschen - wie nennen die jungen Leute das heutzutage? - ein bisschen neben der Spur. Ich glaube, ich werde eine Weile die Füße hochlegen. Ein Nickerchen machen.«
    »Tu das«, sagte Ralph. »Du siehst wirklich ein wenig mitgenommen aus. Und danke für das Essen.« Er beugte sich impulsiv über sie und gab ihr einen Kuss auf
den Mundwinkel. Lois sah erstaunt und dankbar zu ihm auf.

6
    Ralph schaltete etwas mehr als sechs Stunden später den Fernseher aus, nachdem Lisette Benson die Abendnachrichten beendet hatte und an den Sportmoderator weitergab. Die Demonstration vor WomanCare war auf den zweiten Platz verdrängt worden - Aufmacher des Abends waren die anhaltenden Vorwürfe, dass Gouverneurin Greta Powers als Studentin Kokain genommen hätte -, und es gab nichts Neues, davon abgesehen, dass Dan Dalton jetzt als führender Mann der Friends of Life dargestellt wurde. Ralph dachte sich, dass Strohmann der zutreffendere Ausdruck gewesen wäre. Hatte Ed tatsächlich schon das Sagen? Wenn nicht, würde er es wahrscheinlich

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