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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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bald haben, vermutete Ralph - spätestens Weihnachten. Eine interessantere Frage war, was Eds Arbeitgeber von seinen abenteuerlichen Problemen mit Recht und Ordnung in Derry halten mochten. Ralph hatte eine Ahnung, dass ihnen das von heute weitaus weniger gefallen würde als letzten Monat die Anzeige wegen häuslicher Gewalt; er hatte erst kürzlich gelesen, dass die Hawking Laboratorien demnächst das fünfte Forschungslabor im Nordosten sein würden, das mit Fetalgewebe arbeitete. Die Neuigkeit, dass einer ihrer Chemiker festgenommen worden war, weil er mit unechtem Blut gefüllte Puppen auf eine Klinik geworfen hatte, die Abtreibungen durchführte, würden sie wahrscheinlich nicht mit Begeisterung aufnehmen. Und wenn sie erfuhren, wie verrückt er tatsächlich war …

    Wer sollte es ihnen sagen, Ralph? Du?
    Nein. Das war ein Schritt weiter, als er zu gehen bereit war, jedenfalls vorläufig. Im Gegensatz zu dem Ausflug mit McGovern zum Polizeirevier, um John Leydecker von dem Zwischenfall letzten Sommer zu erzählen, kam ihm das wie Aufhetzerei vor. Als würde man TÖTET DIESE FOTZE neben das Bild einer Frau schreiben, deren Ansichten man nicht teilte.
    Das ist Quatsch, wie du sehr genau weißt.
    »Ich weiß gar nichts«, sagte er, stand auf und ging zum Fenster. »Ich bin zu müde , um überhaupt irgendetwas zu wissen.« Aber als er dort stand und auf der anderen Straßenseite zwei Männer mit je einem Sechserpack Bier aus dem Red Apple kommen sah, wusste er plötzlich doch etwas, erinnerte sich an etwas, was ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
    Am Morgen, als er die Rite Aid Apotheke verlassen und überwältigt von den Auren gewesen war - und dem Gefühl, eine neue Stufe der Wahrnehmung erreicht zu haben -, hatte er sich immer wieder ermahnt, sich daran zu erfreuen, aber nicht zu glauben, was er da sah, denn wenn es ihm nicht gelänge, diese bedeutsame Unterscheidung zu treffen, würde er im selben Boot wie Ed Deepneau enden. Dieser Gedanke hatte fast die Tür zu einer damit verknüpften Erinnerung aufgestoßen, aber die wabernden Auren auf dem Parkplatz hatten ihn davon abgelenkt, bevor er sie ganz zu fassen bekam. Jetzt fiel es ihm wieder ein: Ed hatte etwas davon gesagt, dass er Auren sah, oder nicht?
    Nein, er hat vielleicht Auren gemeint , aber das Wort, das er tatsächlich benutzt hat, war Farben. Ich bin mir
fast sicher. Gleich, nachdem er davon gesprochen hatte, dass er überall die Leichen von Babys sah, sogar auf den Dächern. Er sagte …
    Ralph sah den beiden Männern zu, wie sie in einen schrottreifen alten Lastwagen einstiegen, und dachte sich, dass er sich nicht mehr an Eds genaue Worte erinnern würde; er war einfach zu müde. Dann fuhr der Lastwagen los und zog eine Abgaswolke hinter sich her, die ihn an den roten Dunst erinnerte, den er heute Vormittag aus dem Auspuff des Bäckereiwagens kommen gesehen hatte, und da wurde eine weitere Tür aufgestoßen, und die Erinnerung kam.
    »Er hat gesagt, manchmal wäre die Welt voller Farben«, sagte Ralph zu seiner leeren Wohnung, »aber irgendwann würden sie alle schwarz werden. Ich glaube , das war es.«
    Er war nahe dran, aber war das alles? Ralph dachte, dass Ed noch etwas mehr gesagt hatte, aber er konnte sich nicht entsinnen. Spielte das überhaupt eine Rolle? Seine Nerven bejahten diese Frage nachdrücklich - der kalte Schauer auf seinem Rücken war stärker geworden.
    Hinter ihm läutete das Telefon. Ralph drehte sich um und sah es in einem Schimmer unheilvollen roten Lichts, dunkelrot, die Farbe von Nasenbluten und
    (Hähnen, die mit Hähnen kämpfen)
    Hahnenkämmen.
    Nein, stöhnte ein Teil seines Verstandes. O nein, Ralph, nicht schon wieder …
    Jedes Mal, wenn das Telefon läutete, wurde die Aura des Lichts heller. In den Intervallen der Stille wurde sie dunkler. Es war, als würde man ein geisterhaftes Herz mit einem Telefon im Inneren sehen.

    Ralph kniff die Augen fest zusammen, und als er sie wieder aufschlug, war die rote Aura um das Telefon herum verschwunden.
    Nein, du kannst sie jetzt gerade nur nicht sehen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, du hast sie durch deine Willenskraft verschwinden lassen. Wie etwas in einem luziden Traum.
    Als er durch das Zimmer zum Telefon ging, sagte er sich - und zwar klipp und klar -, dass dieser Gedanke so verrückt sei wie die Auren selbst. Aber das stimmte nicht, und er wusste es. Denn wenn es verrückt war, wieso hatte er dann die hahnenkammrote Aura um das Telefon nur

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