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Schlafwandler

Schlafwandler

Titel: Schlafwandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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York, hierhergereist, um sie zu
suchen.« Sie senkte den Kopf in ihre Serviette und weinte.
»Ich habe Gina geliebt. Sie war die einzige echte Freundin,
die ich je hatte. Das arme Mädchen! Sie ist hierhergekommen,
weil sie gehört hatte, dass man nur in Berlin leben
könnte. Jeder musste Berlin sehen! Gott, sie liebte das Leben.
Und sie hat es ausgekostet, als gäbe es kein Morgen. Was
für sie ja wohl auch stimmte.«
    »Wo haben Sie
sich kennengelernt?«
    »In einem
Nachtclub auf der Kleiststraße. Das Mädchen konnte
vielleicht tanzen! Sie glauben, ich habe tolle Beine? Seien Sie
nicht albern, Kraus. Ich habe Ihren Blick vorhin bemerkt. Aber
Ginas Beine hätten Sie umgehauen.«
    Kraus schnürte es
den Hals zu, als er daran denken musste, wie diese Beine jetzt
aussahen.
    »Fräulein,
als ich vorhin mit Ihrer Mutter sprach, sagte sie, Sie hätten
ihr gegenüber erwähnt, dass Gina in schlechte
Gesellschaft geraten sei. Was haben Sie damit
gemeint?«
    Paulas Augen, die die
ganze Zeit so grün gefunkelt und dennoch merkwürdig
distanziert gewirkt hatten, wurden jetzt vollkommen trübe.
»Haben Sie schon einmal von Gustave Spanknobel
gehört?«
    »Der Große
Gustave?«
    »Ja, der
Große.«
    Kraus musste sich
zusammenreißen, um nicht laut herauszuschreien. Eureka! Gina
Mancuso, die Meerjungfrau und Prinzessin Magdelena Eugenia waren
also beide in die Hände derselben Übeltäters
gefallen. Nicht nur Dr. Meckel, sondern auch der Große
Gustave war in die Angelegenheit verwickelt. Was für ein
perverser, düsterer Zirkel war das nur? Andererseits …
einen Augenblick … Die Logik riet ihm, einen oder zwei
Schritte zurückzutreten. Wie ist es möglich, dass ich so
leicht darüber stolpere, als hätte eine höhere Macht
das alles perfekt eingerichtet?
    »Ich habe die
Vorstellung des Großen Gustave kürzlich erst gesehen.
Sie kam mir vollkommen harmlos vor.«
    »Die Vorstellung
sicher. Wichtig ist das, was hinter dem Vorhang vor sich geht,
Kraus. Gustave hat eine Jacht, verstehen Sie? Er fährt damit
auf dem Wannsee und der Havel, wann immer das Wetter es ihm
erlaubt. Dort veranstaltet er Partys. Wenn man es Party nennen
will.«
    »Woher wissen
Sie das? Sind Sie jemals dort gewesen?«
    »Gina hat mir
mehr als genug erzählt. Gustave ist ein hohes Tier bei den
Nazis. Na ja, vielleicht auch nicht, aber er umgibt sich jedenfalls
mit den Bonzen der Partei. Und er hat vorhergesagt, dass Hitler
nächstes Jahr an die Macht kommen
wird.«     
    »Das habe ich
gehört.«
    »Sie alle kommen
für diese … kleinen Abstecher auf seine Jacht. Er hat
immer die schönsten Mädchen von Berlin dort. Und dann
hypnotisiert er sie. Und lässt die Männer mit ihnen
machen, was sie wollen. Es war immer alles nur Spaß und
Spielerei, bis zu Gina.« Das Grün in Paulas Augen
verblasste. »Sie war die Erste, die niemals
zurückgekommen ist.«
    »Es gab noch
andere?«
    »Das weiß
ich nicht genau. Aber ich höre so allerlei.«
    »Fräulein
Hoffmeyer, haben Sie nach Ginas Verschwinden das, was Sie über
den Großen Gustave wussten, der Polizei
gemeldet?«
    »Das habe ich.
Ich habe es allen erzählt, die mir zuhören wollten.
Fragen Sie mich, ob es sie interessiert hat! Ich sagte Ihnen doch,
dass dieser Kerl Freunde hat, einflussreiche
Freunde.«
    »Fräulein
…«
    »Und hören
Sie um Himmels willen auf, mich so zu nennen. Nur meine Freier
nennen mich Fräulein, und das auch nur dann, wenn ich es ihnen
befehle. Bitte. Ich heiße Paula.«
    »Einverstanden,
Paula. Ich möchte Sie Folgendes fragen: Glauben Sie, Sie
könnten es arrangieren, dass ich zu einer von Gustaves
›Partys‹ auf seiner Jacht eingeladen
werde?«
    Sie sah ihn an und
brach in schallendes Gelächter aus. »Entschuldigen Sie,
Herr Kriminalinspektor. Also wirklich! Sie sehen nicht gerade wie
ein Nazi aus.«
    »Es gibt
Möglichkeiten, sich zu verkleiden. Ich glaube, das wissen Sie
am besten.«
    Sie hörte auf zu
lachen. »Da haben Sie wohl recht.«
    In ihren Blick mischte
sich plötzlich ein Anflug von Respekt, und sie lächelte,
wenn auch etwas beklommen. »Ich kenne da ein paar Leute. Ich
könnte schon versuchen, etwas zu
arrangieren.«
    »Das würde
ich wirklich zu schätzen wissen. Ich möchte diesem
Albtraum ein Ende bereiten. Bevor noch mehr Mädchen spurlos
verschwinden.«
    »Wissen Sie, ich
glaube tatsächlich, dass es Ihnen ernst ist.«
    Der Regen hatte sich
in Hagel verwandelt und bedeckte bereits in einer dicken,
körnigen Schicht den Boden.
    Kraus konnte sie

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