Schlafwandler
ehemaliger
Wohngenossin unterhalten. In Alt-Spandau gibt es eine
Gaststätte, den Schwarzen
Hirsch . Ich
möchte, dass Sie das Vertrauen der Leute dort gewinnen. Es
kann eine Weile dauern. Überstürzen Sie nichts. Trinken
Sie mit ihnen, amüsieren Sie sich mit Ihnen. Und finden Sie
heraus, ob die Prinzessin Magdelena jemals ihren Fuß in
dieses Etablissement gesetzt
hat.«
»Jawohl!«
Gunther schrieb alles auf.
»Außerdem
sind dort neulich abends zwei Kerle aufgetaucht. Einer heißt
Schumann. Der Vorname des anderen war Josef. Versuchen Sie, so viel
wie möglich über die beiden in Erfahrung zu bringen. Ach,
und Gunther, seien Sie vorsichtig. Das ist ein richtiges Nazi-Nest.
Die Leute haben mich nicht besonders freundlich
behandelt.«
Gunther riss die Augen
auf. »Deshalb schicken Sie mich dorthin.« Seine blassen
Wangen zitterten vor Aufregung, und Kraus’ Anwärter
zeigte genau die verbissene Reaktion, auf die er gehofft hatte.
»Machen Sie sich keine Sorgen, Chef. Ich finde das für
Sie raus. Ich finde alles raus, was es rauszufinden
gibt!«
SIEBEN
»Sie suchen nach
Paula?« Die Frau hob überrascht den Blick. »Um
vier Uhr nachmittags lungert sie hier ganz bestimmt noch nicht
herum.« Sie steckte ihren Wischmopp in den Eimer. »Sie
ist eine berufstätige Frau, Inspektor. So wie wir alle.«
Sie richtete sich auf und wischte ihre Hände an der
Schürze ab. »Was hat sie denn jetzt wieder
angestellt?«
»Und mit wem
habe ich das Vergnügen?« Kraus war sich darüber
klar, dass die Putzfrauen in Deutschland alles über die
Bewohner der Häuser wussten, in denen sie arbeiteten.
Andererseits wurden solche Informationen sehr oft als Munition
für private Fehden benutzt, und nichts, das hatte er auf die
harte Tour gelernt, konnte eine Ermittlung schneller in die falsche
Richtung lenken.
»Ich bin Frau
Agnes Hoffmeyer.« Die Frau hob ihren Kittel und deutete einen
Knicks an, als würde sie bei einem Ball vorgestellt.
»Und mit der fraglichen Dame durch Mutterschaft
verwandt.«
Wie fast alle
Großstädter in allen Ländern dieser Welt linderten
auch die Berliner die Mühen des Alltags mit dem Schmiermittel
des Sarkasmus. Kraus kam es vor, als würde er diese kesse Dame
bereits sein Leben lang kennen.
»Es geht um ihre
frühere Mitbewohnerin, eine Amerikanerin namens Gina
Mancuso.«
Die Keckheit
verschwand auf der Stelle. »Sie haben sie noch nicht
gefunden?«
Die Frau rasselte
sofort herunter, was sie über dieses Thema wusste, was
allerdings nicht sonderlich viel war. Gina hatte über ein Jahr
lang mit Paula zusammengewohnt. Sie war ein entzückendes
Mädchen. Sehr nett und ordentlich. Ihr Verschwinden hatte sie
sehr bestürzt. Paula liebte Gina wie eine Schwester. Und sie
tanzten zusammen in einer Revue. In welchem Club? Das wusste sie
nicht. Aber Paula hatte ihr erzählt, dass Gina in schlechte
Gesellschaft geraten war. Welche Leute das waren? Sie hatte keine
Ahnung. Da musste er schon selbst mit Paula sprechen.
»Wo kann ich sie
finden, Frau Hoffmeyer?« Kraus notierte sich
alles.
»Ich kann Ihnen
sagen, wo sie arbeitet. Wo Sie sie finden, wer zum Teufel
weiß das schon? Versuchen Sie es auf der Tauentzien, zwischen
Marburger und Ranke.«
Einen Moment trafen
sich ihre Blicke.
Machen Sie
schon ,
schien ihr Blick zu sagen. Machen Sie doch eine Bemerkung!
Sollte ich mich schämen? Mich gedemütigt fühlen?
Nein, Herr Kriminalinspektor. Gedemütigt fühle ich mich
nur, wenn ich kein Essen habe, mit dem ich hungrige Mäuler
stopfen kann.
»Gibt es eine
Möglichkeit, wie ich Ihre Tochter erkennen kann, gnädige
Frau?« Er wusste, dass Dutzende von Mädchen entlang
dieser Häuserzeilen arbeiteten, direkt um die Ecke einer der
großen Bahnhöfe Berlins. Er ging jeden Morgen auf dem
Weg zu seiner Arbeit an ihnen vorbei.
»Ja klar. Sie
wird Ihnen sofort auffallen.« Frau Hoffmeyer ließ sich
mit einem Knurren wieder auf die Knie herunter. »Sie ist das
Mädchen mit den knallroten
Schnürstiefeln.«
Die Stiefel leuchteten
selbst über die Allee hinweg.
In Berlin, dessen
wichtigstes Gewerbe – wie manche behaupteten – der Sex
war, waren die Stiefelmädchen von der Tauentzienstraße
eine eigene Marke und bildeten eine Elite innerhalb der
Prostituierten der Stadt. Zehntausend Frauen waren in Berlin als
Huren registriert. Zigtausende mehr wetteiferten als Amateure um
die Gunst von Freiern, zu niedrigeren Preisen und mit höherem
Risiko. Die Stiefelmädchen bildeten da eine eigene Kategorie.
Sie waren
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